Hier finden Sie in unregelmäßiger Folge manch Informatives, Subjektives und Beiläufiges aus der Wittenberger Verlegerklause von Carcosa, immer wieder mit einem dankbaren Blick nach Berlin ins Stammhaus des Memoranda Verlags, aufgezeichnet von Hannes Riffel.
Samstag, den 16. November 2024
Heute möchte ich mich mit einer — für Carcosa — neuen Autorin beschäftigen, von der wir die deutschsprachigen Lizenzrechte an drei Büchern erworben haben. Für Nicola Griffith begeistere ich mich seit über zwei Jahrzehnten; ihre ersten beiden Romane, Ammonite (1992; dt. Ammonit) und Slow River (1995; dt. Untiefen) zählen zu den großen feministischen Werken der Science Fiction in der Nachfolge von Ursula K. Le Guin. Darüber hinaus hat sie Krimis verfasst, zwei herausragende historische Romane über das England des 7. Jahrhunderts und sich als Herausgeberin dreier Anthologien mit queerer Phantastik hervorgetan.
Nicola Griffith wurde in Leeds geboren und lebt seit 1989, zusammen mit ihrer Ehefrau, der Autorin Kelley Eskridge, in den USA. Sie ist an Multipler Sklerose erkrankt und seit 2016 auf einen Rollstuhl angewiesen. Mich beeindruckt sie vor allem deswegen, weil sie einerseits eine brillante Schriftstellerin ist, die über eine große stilistische wie inhaltliche Bandbreite verfügt, und weil sie andererseits kämpferisch für die Dinge eintritt, die ihr wichtig sind, und das unter Umständen, die alles andere als einfach sind.
Und jetzt sind, nach langen Verhandlungen, drei Verträge unterschrieben, die es uns ermöglichen, ihre Werke endlich auch wieder auf Deutsch zugänglich zu machen. Beginnen werden wir mit dem Kurzroman Spear, in dem ein Ausschnitt aus den Legenden um König Artus unter völlig neuen Gesichtspunkten erzählt wird. Ich habe den schmalen Band voller Bewunderung und mit einem breiten Grinsen im Gesicht gelesen und war wenig erstaunt, dass er für den Nebula Award, den World Fantasy Award und den Ursula K. Le Guin Prize nominiert war; gewonnen hat er den Ray Bradbury Prize, den die Los Angeles Times alljährlich in der Kategorie phantastische Literatur vergibt.
Als zweiten Band werden wir den ebenfalls recht kurzen Roman So Lucky bringen, das erste nicht-phantastische Buch bei Carcosa — es handelt von einer beruflich erfolgreichen Frau, die nach einer MS-Diagnose gezwungen ist, ihr komplettes Leben umzustellen. Darko Suvin hat die Science Fiction einmal als ein Genre beschrieben, das seine Leser:innen mit einem Novum konfrontiert, mit etwas Neuem, das uns das Leben in einem anderen Licht erscheinen lässt. In diesem Sinne ist So Lucky, das mit dem Washington State Book Award ausgezeichnet wurde, vielleicht doch der SF zuzurechnen, denn Menschen mit schweren geistigen oder körperlichen Einschränkungen sind vielen von uns ebenso fremd wie Aliens von einem anderen Planeten.
Als Drittes — und hoffentlich nicht Letztes — werden wir Griffith’ mit dem Lambda Award ausgezeichnete Autobiographie And Now We Are Going to Have a Party publizieren, in der sie erzählt, wie sie in England aufwuchs und sich schließlich, nach dem Besuch des legendären Clarion Writers Workshop, als SF-Autorin etablierte. Dabei freut mich besonders, dass sie sich, nachdem wir erstmals über eine dt. Ausgabe dieses Werkes sprachen, überlegt, diese Lebensgeschichte weiterzuerzählen.
So viel für heute. Ich stecke bis zum Hals in der Übersetzung von Michael Moorcocks Mother London, seinem für mich besten Roman und so etwas wie ein Vorläufer und Ideengeber für Jerusalem von Alan Moore (der Mother London zu seinen Lieblingsbüchern zählt); werde jetzt noch einige Kleinigkeiten erledigen und dann, während es draußen schon dunkel wird, zur Elbe schlendern. Schönes Wochenende, und bis demnächst …
Mittwoch, den 6. November 2024
Endlich erschienen! Nach einer überschwemmungsbedingten Verzögerung (siehe weiter unten) sind sie jetzt endlich da, die ersten beiden Carcosa-Neuheiten des zweiten Halbjahrs 2024: Jagannath von Karin Tidbeck und Jerusalem von Alan Moore! Ich selbst habe sie noch nicht in Händen gehalten, aber Hardy Kettlitz aus der Berliner Zentrale hat mir dieses Foto geschickt und begeistert davon erzählt, wie schön sie geworden sind.
Von einer deutschsprachigen Ausgabe des Großromans Jerusalem habe ich schon vor über zehn Jahren geträumt, als ich noch für den S. Fischer Verlag tätig war, doch dort wollte der Literaturchef — nachvollziehbarerweise — das Risiko nicht eingehen. Aber jetzt ist dieser Traum in Erfüllung gegangen! Danke an all die Mitstreiter:innen, die das möglich gemacht haben … und danke an Euch, die Ihr das Buch kaufen und lesen werdet.
Verlagschef Hardy Kettlitz hat vergangenes Wochenende Nachtschichten eingelegt, sodass alle Lieferscheine rechtzeitig vorlagen, als die Bücher am Montag in unserer Auslieferung eintrafen. Und dort wurden ebenfalls fleißig Paletten abgeladen und Päckchen gepackt, sodass nun große und kleine Kartons zu den Zwischenhhändlern, Buchhandlungen und Kund:innen unterwegs sind.
Danke für Eure großartige Unterstützung, für Eure Rückmeldungen — und bitte bleibt uns gewogen …
Freitag, den 18. Oktober 2024
Heute eine rasche Zwischenmeldung über den Stand der Dinge in der Wittenberger Verlagsklause. Am Mittwoch durfte ich nach Frankfurt düsen, um dort zusammen mit meiner Liebsten für Hardy Kettlitz und mich einen Deutschen Verlagspreis entgegenzunehmen (und anschließend die Rowohlt-Party zu besuchen). Es tat gut, sich unter so vielen Gleichgesinnten zu bewegen, die mit den Freuden und Problemen des (Klein-)Verlagsdaseins vertraut sind und sich mit derselben Leidenschaft für Bücher einsetzen wie wir. Außerdem habe ich ein paar frühere Kolleg:innen von S. Fischer wiedergetroffen und bin am Lübbe-Stand Programmchef Stefan Bauer begegnet, der mit der ehemaligen Heyne- und Piper-Lektorin Friedel Wahren und Autor Andreas Eschbach zusammensaß. Was für ein schöner Zufall! Und zwischendurch hatte ich noch Zeit für einen Plausch mit Florian Schmelz, einem wahnsinnig netten und engagierten Buchhandelsauszubildenden bei Osiander in Tübingen, der nicht nur unfassbare Mengen von Carcosa-Büchern verkauft, sondern auch unseren Instagram-Kanal betreut. Way to go, Florian!
Zu Hause habe ich mich dann gleich wieder am Schreibtisch niedergelassen, an den Conan-Erzählungen von Robert E. Howard weiterübersetzt und mich mit den Druckfahnen der drei Bücher beschäftigt, die bei Carcosa im Dezember erscheinen: Nova von Samuel R. Delany, Die Geißel des Himmels von Ursula K. Le Guin und Erwachende Welten von Joanna Russ. Die Druckdaten müssen in zehn Tagen an die Druckerei gehen, also befinden wir uns im Endspurt. Le Guin und Russ sind fast druckfertig, bei Delany lese ich heute das letzte Kapitel und arbeite nächste Woche die Korrekturen unserer fleißigen Mitstreiter Franz-Josef Knelangen und Ralf Neukirchen ein (die Hardy dann in die Satzdatei überträgt, eine Plackerei, die es echt in sich hat). Aber dann ist es geschafft — bis zum nächsten Programm!
Und zum Schluss, bitte nicht vergessen: Nächste Woche finden zwei Carcosa-Veranstaltungen statt, am Dienstag in Potsdam und am Donnerstag in Rostock (siehe ausführlicher den Eintrag direkt unter diesem). Wer Zeit und Lust hat — wir freuen uns, Euch in unterschiedlichen Konstellationen zu sehen!
Samstag, den 5. Oktober 2024
Um zwei Preisverleihungen geht es heute und um zwei Veranstaltungen. Das vergangene Wochenende habe ich zusammen mit meiner Liebsten auf dem Elstercon in Leipzig verbracht, wo ich am Büchertisch von Carcosa/Memoranda zusammen mit Hardy Kettlitz einige unserer Leser:innen begrüßen durfte (Umsatz haben wir auch gemacht, vielen Dank).
Das Highlight der Veranstaltung war die Verleihung des Kurd Laßwitz Preises, bei dem, wie ich bereits berichten durfte, Carcosa nicht schlecht abgeschnitten hat: In der Kategorie Bestes ausländisches Werk gewann Immer nach Hause von Ursula K. Le Guin mit großem Abstand, und in der Kategorie Beste Übersetzung belegte Carcosa sogar die ersten drei Plätze — eine überwältigende Bestätigung der Qualität unserer Arbeit.
Richtig toll war, dass Karen Nölle, Helmut W. Pesch und Matthias Fersterer angereist waren, um den Preis für die beste Übersetzung persönlich entgegenzunehmen (siehe Foto, das wir Jörg Ritter verdanken; links im Bild der unfassbar fleißige KLP-Treuhänder Udo Klotz). Abermals Gratulation — die Würdigung ist mehr als verdient.
Die zweite Preisverleihung findet am 16. Oktober 2024 auf der Frankfurter Buchmesse statt, wo ich für Memoranda/Carcosa einen Deutschen Verlagspreis entgegennehmen darf — »einen« deshalb, weil dort rund achtzig Verlage ausgezeichnet werden. Hardy Kettlitz und ich fühlen uns sehr geehrt, zumal der Preis gut dotiert ist und unser kleines Projekt ein Stück weiter ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Danke an die Jury und alle, die dafür Sorge tragen, dass die Vielfalt des bundesdeutschen Verlagswesens weiterhin auf diese Weise unterstützt wird!
Und nun zu den Veranstaltungshinweisen: Am Dienstag, den 22. Oktober 2024, werden Hardy Kettlitz und ich ab 19:30 Uhr in Potsdam auf dem Podium sitzen, und zwar im Rahmen der äußerst interessanten Veranstaltungsreihe Planstelle #1 — Science Fiction, Debatten, Spekulationen, die vom Libertalia e. V. ausgerichtet wird. Wir werden unsere Verlagsprogramme präsentieren, über die Bedingungen und Ziele unserer Arbeit sprechen und stehen gerne Rede und Antwort; Genaueres findet Ihr hier. Wir freuen uns auf Euren Besuch!
Zwei Tage später, am Donnerstag, den 24. Oktober 2024, werden Matthias Fersterer, Jana Gebauer und Gesa Mackenthun ab 19 Uhr in Rostock über den Roman Immer nach Hause von Ursula K. Le Guin sprechen, und zwar unter dem Motto: Denken in Utopien: Ursula K. Le Guin und das gute Leben für alle. Ich weiß noch nicht, ob ich es dorthin schaffe, aber ich wäre sehr gerne dabei — das verspricht ein spannender Abend zu werden, an dem die bedeutendste Autorin unseres Verlages unter verschiedenen Aspekten beleuchtet wird. Hier geht’s zu den Details.
Ziemlich viel dieses Mal, also spare ich mir, auch wenn es mir schwerfällt, eine Nachricht auf, die mich sehr glücklich macht — ich durfte die Rechte an drei Büchern einer meiner Lieblingsautorinnen einkaufen. Aber dazu bald mehr …
Montag, den 23. September 2024
Keine so guten Nachrichten heute — (und ich meine nicht die Landtagswahl in Brandenburg, bei der die Nazis fast dreißig Prozent der Stimmen erhalten haben, was mein Geschichtsbewusstsein knappe hundert Jahre in die Vergangenheit versetzt): Nein, es geht darum, dass sich die Auslieferung unseres Herbstprogramms wohl merklich verzögern wird. Und das liegt, ausgerechnet, am Wetter.
Unsere hochgeschätzte Hausdruckerei Finidr liegt in dem malerischen tschechischen Städtchen Český Těšín, und auch dort ist es in den letzten Tagen zu einer Hochwasserkatastrophe gekommen. Die Olše, ein Nebenfluss der Oder, ist über die Ufer getreten, und die Innenstadt musste evakuiert werden. Das Papierlager von Finidr wurde teilweise überschwemmt, und viele Mitarbeiter:innen haben derzeit bestimmt andere Sorgen als unsere Drucktermine.
Ich möchte Euch hier jetzt keine Horrorbilder zeigen (oder heraufbeschwören), aber es steht natürlich außer Frage, dass wir die Kolleg:innen vor Ort unserer Solidarität (und unserer Geduld) versichert haben — und hoffen, dass die Menschen dort bald wieder zu so etwas wie einer Normalität zurückkehren können.
Konkret betroffen sind bei uns die beiden Bücher Jerusalem von Alan Moore und Jagannath von Karin Tidbeck, die (wenn nicht noch Schlimmeres passiert) am 6. November erhältlich sein werden, also einen Monat später als ursprünglich geplant. Bei den drei Büchern, die im Dezember erscheinen sollen (Delany, Le Guin und Russ), steht der ursprüngliche Terminplan bislang noch, doch das kann sich ändern. Aber das ist zweitrangig. Wichtiger ist, dass in Český Těšín alle gesund und wohlauf bleiben und niemand ihren oder seinen Arbeitsplatz verliert. Das wünschen wir von Herzen.
Freitag, den 13. September 2024
Mit sogenanntem Black Pulp – also mit Fortsetzungsromanen von Autor:innen, deren Hautfarbe ebenso wenig der »Norm« ihrer Zeit entsprach wie die ihrer Leserschaft — möchte ich mich künftig etwas eingehender beschäftigen. Ich denke, nicht nur ich habe da einen blinden Fleck, zumal das Gros dieser Werke nicht in den geläufigen Pulp-Magazinen erschienen ist, sondern in Tages- und Wochenzeitungen und deren Beilagen.
Konkret habe ich gerade den Doppelroman The Black Internationale / Black Empire (erschienen 1936/37 bzw. 1937/38 in The Pittsburgh Courier) von George S. Schuyler gelesen, damals einer der erfolgreichsten Journalisten in den USA, von H. L. Mencken unter die Fittiche genommen und irgendwann von links-sozialistisch nach hart rechts abgerutscht. Erzählt wird die Geschichte einer Verschwörung der »schwarzen« Bevölkerung, die sich im Verlauf des ersten Bandes auf die ganzen Vereinigten Staaten ausweitet.
Im zweiten Teil wird dann der afrikanische Kontinent erobert, von »Weißen« gesäubert, gegen die militärische Macht der europäischen Kolonialisten verteidigt und schließlich zum Paradies für alle Negroes der Welt erklärt. Dabei handelt es sich um eine lupenreine Rachephantasie, einen in rasantem Tempo erzählten Abenteuerroman, in dem es keinen Helden gibt, sondern nur einen unbarmherzigen Bösewicht allergrößten Stils.
Schuyler reagiert mit diesem Werk, ebenso wie mit seinem 1931 erschienenen Roman Black No More, natürlich auf die rassistischen Verhältnisse seiner Zeit, en detail aber auch ganz konkret auf eine längere Erzählung von David H. Keller, die unter dem Titel »The Menace« 1928 in dem von Hugo Gernsback herausgegebenen Magazin Amazing Stories erschienen war. In diesem reaktionären Machwerk, das mehr über die USA in der erste Hälfte des 20. Jahrhunderts aussagt als ganze akademische Bibliotheken, geht es ebenfalls um eine »schwarze« Verschwörung gegen das »weiße« Amerika, allerdings aus einem völlig anderen Blickwinkel erzählt und mit völlig anderem Ausgang.
The Black Internationale / Black Empire sowie Black No More von George S. Schuyler sind beide in sorgfältig edierten Ausgaben innerhalb der Penguin Classics erschienen, und über das Gesamtphänomen »Black Pulp« gibt es eine Monographie von Brooks E. Hefner, die ich mir demnächst einmal vornehmen möchte. Als Nächstes ist erst einmal Pauline Hopkins an der Reihe, vielleicht die erste Autorin, die sich dem zurechnen lässt, was heute als Afrofuturismus bezeichnet wird. Wer von Euch hat noch etwas in dieser Richtung gelesen? Ich bin dankbar für Hinweise und Rückmeldungen …
Montag, den 2. September 2024
Jerusalem von Alan Moore ist heute in den Druck gegangen …
Dienstag, den 27. August 2024
Zum Stand der Dinge heute mal wieder ein paar Äußerungen, denn die Erscheinungstermine des Herbstprogramms nahen unaufhaltsam. Dieses Mal haben wir die fünf Carcosa-Bücher auf zwei Chargen verteilt, weil sich das für uns einfacher handhaben lässt.
Am 9. Oktober 2024 erscheinen ein ganz kleines und ein ganz großes Buch — Jagannath von Karin Tidbeck und Jerusalem von Alan Moore, beides fadengeheftete Hardcover-Bände, wobei Ersterer in Letzteren gut vierzehnmal hineinpasst — Jerusalem umfasst über 2.500 Normseiten, Jagannath ziemlich genau 180; als Buch dann 1.442 großformatige Druckseiten sowie 219 kleinformatige. Entsprechend unterschiedlich war auch der Aufwand im Vorfeld: Jagganath habe ich buchstäblich nebenher übersetzt, immer mal wieder eine Erzählung, wobei mich Tabea Hecht und Michael Siefener redaktionell unterstützten. An Jerusalem wiederum hat fast ein Team von der Größe einer Fußballmannschaft gewerkelt — zwei Übersetzer, zwei Co-Übersetzer (wobei einer derselben auch als Rechercheuer und Redakteuer fungierte), eine Lektorin, zwei Korrektoren und ein Setzer, der mir demnächst die Freundschaft aufkündigt. Beide Bücher gehen in sechs Tagen in den Druck, wir werden alle erleichtert aufatmen.
Am 4. Dezember 2024 erscheinen dann drei Klappenbroschuren in unserem Standardformat: mit Erwachende Welten der zweite Band unserer Ausgabe der Werke von Joanna Russ; mit Nova das dritte frühe Meisterwerk aus der Feder von Samuel R. Delany; und mit Die Geißel des Himmels ein zweiter Roman von Ursula K. Le Guin, der mich auch bei wiederholter Lektüre jedes Mal völlig begeisterte. Bei Delany lektoriere ich gerade die Neuübersetzung von Jakob Schmidt, das Buch sollte Mitte September in den Satz gehen. Bei Russ sehe ich gerade Charlotte Kraffts Übersetzung der Rezensionen ein weiteres Mal durch, und nach einem letzten externen Redaktionsdurchlauf des ganzen Buches ist dann auch dieses satzfertig. Bei Le Guin sind die Druckfahnen bereits zweimal gelesen, hier müssen nur noch die Korrekturen eingearbeitet und anschließend überprüft werden.
Ihr seht, wir betreiben einen großen Aufwand, damit unsere Bücher nicht nur der Qualität der einzelnen Werke und unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden, sondern auch Euren Erwartungen. Dabei habe ich heute noch einmal eine besondere Bitte: Wenn Ihr Euch entschieden habt, eines oder mehrere unserer Bücher zu erwerben, so gebt bitte eine Direktbestellung auf. Daran verdienen wir buchstäblich doppelt so viel wie an Verkäufen, die über den Handel laufen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass unsere lieben Großhändler Rechnungen (vertragsgemäß) erst nach über drei Monaten bezahlen, und manchmal sogar dann nicht. Bei einem Werk wie Jerusalem belaufen sich allein die Druckkosten auf 30.000 Euro, und je früher wir diese wieder einverdient haben, umso beruhigter können wir an unserem neuen Programm arbeiten.
Vielen Dank für Eure Unterstützung — und viel Spaß bei der Lektüre der Carcosa- und Memoranda-Bücher …
Sonntag, den 11. August 2024
Nachdem ich die letzten anderthalb Jahre fast ausschließlich für Carcosa tätig war, ist inzwischen der Punkt erreicht, an dem ich wieder einen Großteil meiner Zeit auf Übersetzungen für andere Verlag wenden werde, schließlich kann ich nicht dauerhaft von der Substanz leben, von der Finanzierung des Verlages einmal ganz abgesehen. Neben einem kleineren Projekt für den Wandler Verlag (siehe unten), von dem ich nicht weiß, ob ich bereits darüber sprechen darf, steht jetzt wieder ein Schmöker an, der es dem Umfang nach beinahe mit meiner Elric-Neuübersetzung aufnehmen kann.
Und nicht nur das hat dieser Auftrag mit dem bleichem Helden und seinem Schwert Sturmbringer gemeinsam, handelt es sich doch um die Erzählungen, gegen die Michael Moorcock damals ganz gezielt angeschrieben hat. Genau, ich spreche von Conan, der Schöpfung des Texaners Robert E. Howard.
Wie schon bei Elric betrachte ich es als eine große Herausforderung, ein Werk neu zu übersetzen, das bereits mehrfach auf Deutsch erschienen ist. Und wie bei Elric möchte ich mich weder zu den älteren Übertragungen äußern, noch werde ich mehr als einen flüchtigen Blick hineinwerfen. (Einen solchen Vergleich hat hinsichtlich Moorcock bereits eine Fachzeitschrift angestellt, und das Fazit erscheint mir nachvollziehbar.) Ich werde mich ganz darauf konzentrieren, der Vorlage möglichst nahe zu kommen und einen Text abzuliefern, der die gleiche Begeisterung weckt wie das stilistisch über weite Strecken recht souveräne Original.
Über Robert E. Howard selbst werden viele Leser:innen geteilter Meinung sein, aber sein Werk hat eine eingehendere Beschäftigung meines Erachtens durchaus verdient. Das Klischee vom tumben, schwertschwingenden Barbaren, das sich vor allem der Schwarzenegger-Verfilmung und den (gelinde gesagt) meist misslungenen späteren Romanen aus fremder Feder verdankt, sollte anhand der Originaltexte überprüft werden. Aus Conan ist leider eine ganze Industrie geworden, an der sich vor allem Leute bereichern, denen das Erbe der Pulpmagazine nicht gleichgültiger sein könnte. Dass es auch anders geht, hat vor allem der Festa Verlag gezeigt, dessen (illustrierte!) Conan-Ausgabe aus lizenzrechtlichen Gründen nicht mehr erhältlich ist, der aber auch Howards sogenannten Horror-Geschichten (und anderen) schöne Bände gewidmet hat.
Begleitend zu meiner Übersetzungsarbeit lese ich gerade die informative Howard-Biographie Blood and Thunder von Mark Finn, zum zweiten Mal sogar, denn sie ist in einer überarbeiteten und erweiterten Ausgabe erschienen. Darin werden u.a. erhellende Zusammenhänge zwischen dem Texas der 1920er und 1930er Jahre und den verschiedenen Fantasy- und historischen Welten aufgezeigt, in denen Howards Helden ihre recht blutigen Abenteuer erleben. Anschließend werde ich mir One Who Walked Alone vornehmen, die Erinnerungen der Lehrerin und Schriftstellerin Novalyne Price Ellis, die mit Howard eng befreundet war und deren kluges, ausgewogenes Urteil stets gelobt wird.
Und nein, ich möchte an dieser Stelle keine Diskussion über Sinn und Zweck von Neuübersetzungen lostreten. Ich freue mich einfach ganz egoistisch, dass ich mich bis ins kleinste Detail mit diesen klassischen Pulptexten auseinandersetzen darf, und hoffe, dass das Ergebnis bei Erscheinen (in gut zwei Jahren) einige Leser:innen zufriedenstellt.
Dienstag, den 30. Juli 2024
Den Verstand verlieren könnte ich vor Wut, wenn ich wie in den letzten Tagen in der Zeitung lese, dass einerseits eine marode Werft für Kreuzfahrtschiffe (!) von Staatsseite mit 2,7 Milliarden Euro gestützt werden und andererseits gegen einzelne Engagierte, die sich aus schierer Verzweiflung über die katastrophale Klimapolitik sämtlicher Regierungen auf Flugplätzen festkleben, »härter durchgegriffen« werden soll. Himmel hilf — wie lange dauert es denn noch, bis die sogenannten »Entscheider« begreifen, welche Stunde es geschlagen hat?
Was das mit diesem Verlag und diesem Blog zu tun hat? Na ja, ich komme mir halt oft ziemlich hilflos vor. Auch wenn sich Carcosa als dezidiert politischer Verlag versteht, der Autor:innen mit unterschiedlicher, in jedem Fall aber kritischer, aufklärerischer Weltsicht publiziert, frage ich mich, ob wir in diese Richtung genug tun. Natürlich soll erzählende Literatur nicht ins Predigen verfallen, was nicht leicht ist, wenn sich ein Text mit den Missständen der auf bloßen Kapitalismus reduzierten Realität auseinandersetzt.
Deshalb bin ich ja auch so froh, dass wir im Frühjahr 2025 den mit dem Ursula K. Le Guin Prize ausgezeichneten Mosaikroman Arboreality der Kanadierin Rebecca Campbell (übersetzt von Barbara Slawig!) bringen — poetischer und ergreifender lässt sich das Leben unter den Bedingungen fortschreitenden Klimawandels kaum erzählen. Aber ich würde gerne mehr Bücher dieser Art verlegen.
Ein großes Vorbild, wie sich Politisches und Privates auf höchstem Niveau darstellen lässt, ist für mich immer noch Kim Stanley Robinson. Dessen Bücher werden seid Jahren vom Heyne Verlag ordentlich betreut. Allerdings sind zwei seiner Hauptwerke leider bislang nicht auf Deutsch erschienen: der fulminante Alternativweltroman The Years of Rice and Salt, in dem die Weltgeschichte nach den großen Pestepidemien völlig anders verläuft, und seine Trilogie Science in the Capital, die aus den Romanen Forty Signs of Rain, Fifty Degrees Below und Sixty Days and Counting besteht und in der er die Wechselwirkung von Klimawandel und dem parteipolitischen Umgang mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen schildert.
Wie gerne würde ich diese Romane bei Carcosa bringen! Lizenzhonorare, Druckkosten und dergleichen mehr wären dabei durchaus zu stemmen. Doch um die Übersetzungen zu finanzieren, bräuchte es ein mittleres Wunder. Was nicht heißt, dass wir nicht daran arbeiten, solche Wunder zu vollbringen (schließlich erscheint bei uns Anfang Oktober das Meisterwerk Jerusalem von Alan Moore, und daran hat sich keiner der großen Verlage getraut). Aber ganz ohne Eure Unterstützung geht es eben auch nicht.
In diesem Zusammenhang an Euch die Frage: Welche Bücher kennt Ihr, die sich mittels der Science Fiction mit aktuellen, brisanten Themen auseinandersetzen? Schreibt mir bitte, ich bin neugierig. Und prüfe gerne, ob davon etwas für die Publikaton bei Carcosa infrage kommt …
Dientstag, den 9. Juli 2024
Auf einen anderen tollen Kleinverlag möchte ich Euch heute hinweisen, aus verschiedenen Gründen. Schon ein, zwei Jahre länger als Carcosa gibt es den Wandler Verlag, der unter der Leitung von Michael Schmitt hoch im Nordosten in Wendorf ausgewählte Phantastik vom Feinsten publiziert. Der Schwerpunkt liegt hier eher auf dem Übernatürlichen und Unheimlichen, der literarische Anspruch ist beeindruckend.
Aktuell ist dort — ein wirklich großer Coup — die von Bernie Wrightson illustrierte Frankenstein-Ausgabe erstmals in deutscher Sprache erschienen, in jeder Beziehung eine Augenweide. Das Spektrum der Autor:innen reicht von John Crowley bis Jeff VanderMeer, das Spektrum der Bücher von preisgünstigen Paperbacks bis zu aufwändigen Hardcover-Ausgaben.
Ich selbst sitze für Wandler derzeit an der Übersetzung eines Bandes mit Erzählungen einer Autorin, die ich bei Golkonda verlegt habe und sehr schätze — mehr möchte ich noch nicht verraten. Aber gönnte Euch einen Ausflug auf die Shop-Seite des Verlages; ich bin überzeugt, dass Ihr auf so manches Erstaunliche und Ungewöhnliche stoßen werdet …
Samstag, den 29. Juni 2024
Für einen weiteren Preis … sind wir nominiert, und auch das gleich wieder mehrfach: Vor ein paar Tagen erreichte mich eine Mail von Robert Corvus, der darüber informierte, dass wir auf der Auswahlliste für einen Award der European Science Fiction Society stünden. Dabei handelt es sich um einen Preis, bei dem die landesweiten SF-Verbände jeweils Vorschläge in mehreren Kategorien einreichen; abgestimmt wird dann von den Länderdelegierten am 16. bis 19. August 2024 auf dem EuroCon in Rotterdam.
Einen ersten Überblick über die dt. Nominierungsvorschläge findet sich hier. Toll ist, dass Kumpel und Kollege Hardy Kettlitz für die phantastische Arbeit gewürdigt wird, die er mit seinem Memoranda Verlag (und den verschiedenen Vorgängerinkarnationen) seit Jahrzehnten leistet; toll ist, dass meine Übersetzertätigkeit mit Worten gewürdigt wird, die ich mir bei Gelegenheit mit einem Glas Rotwein auf der Zunge zergehen lassen werde.
Am tollsten jedoch ist, dass unsere Gestalterin Ben endlich einmal angemessen gewürdigt wird, und zwar ausdrücklich für das Design der Carcosa-Bücher. Ich hatte mich ja bereits aus Anlass der Nominierungen für den Kurd Laßwitz Preis ein wenig echauffiert, dass Ben dort nicht einmal auf die Shortlist gelangte (wo sich ausschließlich bunte Bildchen tummelten). Umso glücklicher bin ich, dass ihr auf diese Weise Gerechtigkeit widerfährt! Wir haben nun schon an weit über einhundert Projekten zusammengearbeitet, und ich froh und dankbar für jedes weitere …
Freitag, der 7. Juni 2024
Zweimal Platz 1 … belegt der Carcosa Verlag bei der diesjährigen Wahl zum Kurd Laßwitz Preis. Für alle, die es genau wissen möchten: Der KLP ist das deutschsprachige Gegenstück zum Nebula Award und damit ein Preis, der von den Science-Fiction-Schaffenden selbst, also von Autor:innen, Übersetzer:innen, Gestalter:innen und anderen vergeben wird.
Doppelt gewonnen hat die dt. Erstausgabe des Romans Immer nach Hause von Ursula K. Le Guin, und zwar in den Kategorien bestes ausländisches Werk und beste Übersetzung. Ich bin über die Maßen stolz, dass wir in dieser Form dafür gewürdigt werden, uns an dieses ungewöhnliche und umfangreiche Buch gewagt zu haben. Und ganz besonders freut mich, dass die drei Übersetzer:innen Matthias Fersterer, Karen Nölle und Helmut W. Pesch für Ihre großartige, geduldige Arbeit ausgezeichnet werden — ich kann mir niemanden vorstellen, der oder die das mehr verdient hätte.
Fast ebenso sehr freut mich, dass wir in der Kategorie beste Übersetzung nicht nur Platz 1 belegen, sondern auch Platz 2 und 3, und zwar mit meiner Neuübersetzung des Mosaikromans Der fünfte Kopf des Zerberus von Gene Wolfe und mit Jakob Schmidts Neuübersetzung des SF-Klassikers Babel-17 von Samuel R. Delany. Das ist ungefähr so, als würde eine Nation in einer olympischen Disziplin gleichzeitig die Gold‑, Silber- und Bronzemedallie einheimsen — ich glaube nicht, dass es das beim Kurd Laßwitz Preis schon einmal gegeben hat.
Weshalb ich mich bei allen SF-Schaffenden, die sich an der Nominierung und an der endgültigen Auswahl beteiligt haben (bei den Übersetzungen handelt es sich um ein Gremium aus Lektor:innen und Übersetzer:innen), herzlich bedanken möchte — und ganz besonders bei KLP-Treuhänder Udo Klotz, der sich Jahr für Jahr eine Menge Arbeit aufbürdet, damit dieser Preis weiter vergeben werden kann.
Preisverleihung ist im Übrigen am 28. September 2024 im Haus des Buches in Leipzig, und zwar im Rahmen des 17. ElsterCons. Hardy Kettlitz und ich werden mit einem Büchertisch vor Ort sein, und auch die preisgekrönten Übersetzer:innen haben ihre Absicht erklärt, anwesend zu sein. Es würde uns sehr freuen, möglichst viele Carcosa-Leser:innen dort begrüßen zu dürfen!
Sonntag, der 26. Mai 2024
Die Herbst-Neuheiten sind online gegangen — will sagen, dass jetzt zu den fünf Büchern, die dieses Jahr im Oktober und im Dezember erscheinen werden, ausführliche Informationen auf Unterseiten der Carcosa-Homepage zugänglich sind. Eigentlich wollte ich schon vor Stunden den Computer ausschalten und etwas an die Sonne gehen, aber dann gab’s doch wieder mehr und mehr zu tun, und jetzt möchte ich noch das bekanntgeben.
Anfang Oktober werden also Jerusalem von Alan Moore und Jagannath von Karin Tidbeck erhältlich sein, zwei Bücher, die zwar beide der literarischen Phantastik zugehören, aber hinsichtlich Still und Umfang nicht unterschiedlicher sein könnten. Jerusalem ist ein Mammutwerk von überwältigender erzählerischer Wucht, während Jagannath eher leise daherkommt, dabei aber nicht weniger atemberaubend ist.
Im Dezember dann folgen drei Bücher, die klar der Science Fiction zuzurechnen sind und jeweils klassische Werke in neuer oder überarbeiteter Übersetzung präsentieren: Nova von Samuel R. Delany, Die Geißel des Himmels von Ursula K. Le Guin und Erwachende Welten, der zweite Band unserer Joanna-Russ-Ausgabe, der unter anderem ihren bedeutendsten und erfolgreichsten Roman Der weibliche Mann enthält.
Wenn ich mir diese drei Romane vor Augen führe, gerate ich sofort wieder ins Schwärmen! Obwohl sie ursprünglich in den Jahren 1968, 1971 und 1975 erschienen sind, haben sie nichts von ihrer erzählerischen Genialität und von ihrer politischen Brisanz verloren. Fast möchte ich sogar behaupten, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse, die darin geschildert werden, für uns hier und heute von noch größerer Relevanz sind.
Aber überzeugt Euch selbst — alle fünf Bücher sind vorbestellbar, und sobald uns die entsprechenden Texte gesetzt und korrigiert vorliegen, werden wir sukzessive Leseproben ins Netz stellen. Und ich gehe jetzt endlich raus an die frische Luft …
Sonntag, der 12. Mai 2024
Unterstützt uns lautet seit Neustem ein Menüpunkt auf der Carcosa-Homepage. Darunter verbirgt sich ein Aufruf, uns in kleinerem Rahmen regelmäßig oder in größerem Rahmen projektbezogen finanziell zu fördern. Dazu möchte ich gleich klarstellen: Carcosa ist (ebenso wie der verschwisterte Verlag Memoranda) in keinster Weise gefährdet. Es geht uns darum, das stabile Fundament, auf dem unsere Arbeit ruht, mittelfristig zu verstärken und breiter anzulegen. Und dafür brauchen wir Eure Unterstützung.
Carcosa ist ein unabhängiger Verlag, der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, jenseits irgendwelcher Trends und Moden anspruchsvolle phantastische Literatur zu veröffentlichen. Bereits in unserem ersten Jahr ist es uns gelungen, eine Reihe großartiger Autor:innen an uns zu binden und erfolgreich Bücher von kanonischer Bedeutung wie von aktueller Brisanz zu publizieren. Das Feedback von Handel wie von Presse und — was am wichtigsten ist — von den Leser:innen ist durchweg positiv bis begeistert.
Jetzt möchten wir Euch die Möglichkeit bieten, unsere Arbeit direkt zu fördern. Dafür haben wir uns die kleine Berliner Crowdfunding-Plattform Steady ausgesucht, die, so finden wir, am besten zu uns passt. Bitte lest Euch in Ruhe durch, was wir uns überlegt haben, und entscheidet, was Euch zusagt und wozu Ihr in der Lage seid. Für Steady-Unterstützer:innen wird es demnächst exklusive Informationen und Verlosungen geben sowie andere Möglichkeiten der Teilhabe an unserer Arbeit.
Mit Carcosa haben wir uns einen Traum erfüllt — den Traum, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat an Büchern zu arbeiten, die unser Herz höher schlagen lassen. Seit wir mit unseren ersten beiden Programmen an die Öffentlichkeit gegangen sind, durften wir erfahren, dass das, was wir tun, vielen Menschen etwas bedeutet. Bitte zeigt uns Eure Wertschätzung auch weiterhin. Durch den Kauf unserer Bücher. Und, sofern das geht, auf die von uns vorgeschlagene Weise …
Mittwoch, der 1. Mai 2024
Das Reihenkonzept von Carcosa … möchte ich heute kurz erläutern. Reihenkonzept? Ja, uns war von Anfang an klar, dass die Bücher eines kleinen Verlages mit übersichtlichem Marketingbudget einen hohen Wiedererkennungswert haben müssen (Klaus Wagenbach hat das in seinem Verlag, der inzwischen seit sechzig Jahren besteht, mustergültig vorgemacht, sei es mit den Quartbüchern, den roten Leinebänden der Salto-Reihe oder der Kleinen Kulturwissenschaftliche Bibliothek).
Den Kern des Verlages bilden Klassikerausgaben in neuen oder überarbeiteten Übersetzungen neben Erstübersetzungen etablierter Autor:innen, in der Regel in schönen Klappenbroschuren mit lackiertem Einband, bei größerem Umfang in Form gebundener Bücher mit Lesebändchen. Die Ausstattung richtet sich, nicht nur in diesen Fällen, einerseits nach ästhetischen Kriterien, andererseits nach der Kalkulation, schließlich sollen die Bücher einen bestimmten Preis nicht übersteigen.
Eine zweite Reihe bilden die handlichen Hardcover-Bändchen, bisher durch die beiden Dex & Helmling-Romane Ein Psalm für die wild Schweifenden und Ein Gebet für die achtsam Schreitenden von Becky Chambers vertreten. Im kommenden Oktober wird diese Reihe um den Erzählungsband Jagannath von Karin Tidbeck erweitert, einer jungen Stimme aus Schweden, im Frühjahr 2025 folgt die Übersetzung des mit dem Ursula K. Le Guin Prize ausgezeichneten Mosaikromans Arboreality der Kanadierin Rebecca Campbell, an zwei weiteren Werken dieser Reihe erwerben wir derzeit die Lizenzrechte.
Dieses etwas kleinere Format mit der hochwertigen Ausstattung — Fadenheftung, Lesebändchen, farbiges Vorsatzpapier — soll Autorinnen der Gegenwart vorbehalten sein, die stilistisch wie thematisch Außergewöhnliches leisten und damit zeigen, wozu phantastische Literatur fähig ist, wenn sie ihre Grenzen auslotet. Gleichzeitig bildet diese Reihe ein Gegengewicht zu den Klassikerneuausgaben, schließlich möchte Carcosa nicht nur Kanonisches veröffentlichen, sondern auch mit Neuentdeckungen aufwarten.
Keine Regel ohne Ausnahme: Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass wir hin und wieder Bücher verlegen werden, die den Rahmen der beschriebenen Reihen sprengen. Den Anfang macht der monumentale Roman Jerusalem von Alan Moore, der mit weit jenseits von 2000 Manuskriptseiten unbedingt nach einem größeren Format verlangt. Hier orientieren wir uns an der prächtigen Elric-Ausgabe, die letztes Jahr bei S. Fischer erschienen ist und deren Satzspiegel sich trotz großer Textmenge durch hervorragende Lesbarkeit auszeichnet. Solche Riesenschmöker werden bei uns natürlich nicht allzu oft erscheinen, aber nach Jerusalem schweben mir bereits (mindestens) zwei weitere vor …
Ein weiterer Zweck solcher Reihen ist, neben der Übersichtlichkeit, die Tatsache, dass es möglich ist, diese Reihen zu abonnieren! Und zwar getrennt nach Klassikern in Klappenbroschuren einerseits und brisantem Neuen im handlichen Hardcover andererseits. Oder natürlich gleich das ganze Carcosa-Programm, sodass Ihr auch bestimmt kein einziges Buch verpasst. Damit unterstützt Ihr unsere Arbeit, macht sie planbarer und sorgt dafür, dass der Verleger geruhsamer schläft. Und wenn das kein zureichender Grund ist …
Freitag, der 19. April 2024
Ursula K. Le Guin steht im Mittelpunkt zweier Veranstaltungen, auf die ich hier hinweisen möchte — und zwar finden beide am Donnerstag, den 25. April 2024 statt.
Im Literaturhaus Kiel stellt Übersetzerin Karen Nölle Immer nach Hause vor, die dt. Erstausgabe von Always Coming Home. Verleger Hannes Riffel wird ebenfalls vor Ort sein, und Christopher Ecker, Autor des großartigen Romans Fahlmann, wird das Gespräch moderieren.
Wer Karen Nölle schon einmal auf der Bühne gesehen hat, weiß, dass sie äußerst klug und unterhaltsam über ihre Arbeit und über die von ihr übertragenen Autor:innen spricht. Sie hat Ursula K. Le Guin noch selbst besucht, auch davon wird sie erzählen.
Im Klanghaus am See in Klein Jasedow wiederum möchte Matthias Fersterer, ebenfalls Teil des Trios, das Always Coming Home ins Deutsche gebracht hat (und Leiter des Drachen Verlags), »unter dem Titel Vom guten Leben erzählen theoretisch, praktisch und literarisch erkunden, wie ein gutes Leben für alle überhaupt aussehen kann und welche Visionen und Praktiken uns auch durch stürmische Zeiten tragen können. Die große phantastische Autorin Ursula K. Le Guin (1929–2018) hat eine solche Zukunft eines guten Lebens auf den Ruinen unserer gescheiterten Zivilisation in ihrem utopischen Roman Immer nach Hause beschrieben.«
Diese Veranstaltung beginnt um 19 Uhr, und auch wenn das kleine Dorf im äußersten Nordosten Deutschlands nicht leicht zu erreichen ist, möchte ich Euch den Veranstaltungsort und den Vortragenden wärmstens an Herz legen — beide sind diese Reise allemal wert. Und in Kiel wie in Klein Jasedow wird sich bestimmt die Gelegenheit bieten, sich über das Carcosa-Programm auszutauschen …
Donnerstag, der 11. April 2024
Erleichterte Grüße vom Wittenberger Schreibtisch heute — seit dieser Woche habe ich das Gros der Leipzig-Nachbearbeitungen, diverse merkwürdige Finanzamtsrückfragen und sonstigen Kleinkram weitgehend hinter mir und … darf wieder übersetzen! Ja, es ist wahr: Ich freue mich jeden Morgen, wenn ich weiß, dass ich den Tag damit verbringen werde, einen tollen Text ins Deutsche zu bringen. Das ist eine großartige Herausforderung, gibt einem das Gefühl, fortwährend etwas zu bewältigen, und beruhigt außerdem ungemein.
Momentan sitze ich (falls sich jemand diese Frage gestellt hat) an Peace von Gene Wolfe, einem frühen Roman des Großmeisters, den es bisher nicht auf Deutsch zu lesen gab; ein ziemlich vertracktes Werk mit vielen falschen Fährten, das mir aber auch wieder vor Augen führt, wie viel Humor sich in Wolves Büchern verbirgt. Erscheinen wird Frieden bei Carcosa im Frühjahr 2025, also noch ein bisschen hin, aber die Wolfe-Liebhaber:innen (herzliche Grüße gehen an Herrn Setzke in den Rowohlt Verlag) werden sich, so hoffe ich, freuen.
Ich jedenfalls habe mich wie verrückt über dieses Bild gefreut, das mir der Jungbuchhändler (kann man doch so sagen, oder?) Florian Schmelz aus der Osiander-Filiale in Tübingen geschickt hat. Ich hatte das große Vergnügen, Florian und seine Kollegen auf der Leipziger Buchmesse kennenzulernen, und die geteilte Begeisterung hat sich gleich in einer tollen Präsentation des Carcosa-Programms vor Ort niedergeschlagen.
Viel liebevoller kann man, finde ich, Bücher kaum anbieten! Wer also in Tübingen und Umgebung wohnt und sich einmal in einer gut sortierten SF/Fantasy-Abteilung umschauen möchte, dem sei Osiander in der Metzgergasse 25 empfohlen. Wie es überhaupt sinnvoll ist, unsere (und andere) Bücher in einer freundlichen Buchhandlug vor Ort zu bestellen und vielleicht auf ihre besondere Qualität hinzuweisen. Und weiterhin gilt: Wir freuen uns stets über Direktbestellungen. Sowie über konstruktive Rückmeldungen zu unserem Programm …
Mittwoch, der 3. April 2024
Die Nominierungen für den Kurd Laßwitz Preis sind veröffentlicht worden — und Carcosa ist insgesamt fünf Mal dabei! Vielen Dank an den Treuhänder Udo Klotz, der sich wie jedes Jahr eine Heidenarbeit aufbürdet, damit es auch in der deutschsprachigen Science-Fiction-Welt einen Preis gibt, der sich in etwa mit dem Nebula Award vergleichen lässt.
Gleich dreifach sind wir in der Kategorie »Beste Übersetzung« vertreten: Matthias Fersterer, Karen Nölle & Helmut W. Pesch für die Übersetzung von Ursula K. Le Guins Immer nach Hause (Always Coming Home), Jakob Schmidt für die Neuübersetzung von Samuel R. Delanys Babel-17 (Babel-17) und ein gewisser Hannes Riffel für die Neuübersetzung von Gene Wolfes Der fünfte Kopf des Zerberus (The Fifth Head of Cerberus).
Immer nach Hause von Ursula K. Le Guin ist für sich genommen in der Kategorie »Bestes ausländisches Werk« nominiert, außerdem (schon wieder) Hannes Riffel »für die Gründung und das erste Programm von Carcosa, insbesondere die Veröffentlichung von Ursula K. Le Guins Werk Immer nach Hause«, in der Kategorie »Sonderpreis für einmalige herausragende Leistungen«.
Darüber hinaus hat mir Udo Klotz mitgeteilt: »Auf der Longlist stehen zudem noch eine weitere Übersetzung, die großartige Reihengestaltung von Ben sowie drei der Essays aus dem Almanach in der Kategorie Sachtext. Das zeigt, dass Deine Sonderpreis-Nominierung wahrlich verdient ist.« Das freut mich natürlich sehr — aber ich bin auch einigermaßen bestürzt, dass die Cover von Benswerk es nicht auf die Shortlist geschafft haben. Was da dann letztlich nominiert wurde, ist, wenn auch manchmal handwerklich gut gemacht, doch sehr konventionell. Offenbar braucht der durchschnittliche SF-Fan halt seine bunten Bildchen.
Jetzt sind wir gespannt, wie die Abstimmungsberechtigten und, in den Kategorien Übersetzungen und Hörspiele, die Jurys entscheiden. Und freuen uns, so oder so, auf die Preisverleihung im Rahmen des Elstercon vom 27. bis 29. September in Leipzig.
Donnerstag, der 28. März 2024
Zurück aus Leipzig — und schon weiß ich vor lauter Arbeit auf Desktop und Schreibtisch nicht, wo ich anfangen soll. Jedenfalls waren die vier Tage auf der Messe großartig, ich habe mit vielen tollen Menschen gesprochen, eine Menge Bücher verkauft und wunderbare Rückmeldungen über unser Programm bekommen. Danke dafür Euch allen!
Höhepunkte gab es viele, darunter meine erste persönliche Begegnung mit unserem Vertreter:innenduo Susanne Opitz und Janos Gönczi, die nicht nur äußerst klug und engagiert sind, sondern auch umwerfend nett; die Besuche am Stand unserer Mittäter:innen Lisa Kuppler, Karen Nölle und Erik Simon (siehe den letzten Blogpost); und Lisa hat Watchmuffins mitgebracht! Das Gespräch mit dem hinreißenden Leser:innenpaar aus Frankfurt (bitte meldet Euch!) und mit dem beeindruckenden Auszubildenden-Trio aus der Buchhandlung Osiander in Tübingen (Ihr seid unsere Zukunft!).
Ich bin noch ganz überwältigt von den vielen tollen Begegnungen, möchte mich aber ganz besonders beim Carcosa-Team bedanken, bei unserer Gestalterin Ben und bei meinem Mitstreiter Hardy (der zusammen mit mir auf dem Photo in die Kamera lächelt). Else Laudan vom Argument Verlag hat für eine gute Platzierung unseres Standes gesorgt, Olaf Zocher und Klaus Farin vom Hirnkost Verlag haben gemeinsam mit uns den Büchertransport gestemmt. Und Linus Redies hat uns mit seiner Begeisterung angesteckt und uns die Messe mit anderen Augen sehen lassen.
Diese Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, soll aber zeigen, dass ein Verlag wie Carcosa nur als Teil eines Netzwerkes bestehen kann, als Fokus der tätigen Aufmerksamkeit von Kreativen und Leser:innen (die Übergänge sind fließend). Ich habe viel Energie und viele tolle Ideen aus Leipzig mitgenommen, blicke jetzt in Witteberge wieder von meinem Schreibtisch auf den sonnenbeschienenen Park — und bin froh und dankbar für alle Eure Unterstützung. Ach, wenn wir schon davon sprechen: Habt Ihr, haben Sie auch schon unsere Bücher bestellt?
Mittwoch, der 19. März 2024
Achtung — Messetermine! Morgen geht es für mich ganz früh los nach Leipzig, mit dem ICE um 6:55 Uhr ab Wittenberge, erst den Zimmerschlüssel abholen, ein paar Sachen einkaufen (Proviant für mich, Rotwein für jeweils die letzte Stunde am Stand) und dann auf die Messe, wo hoffentlich schon die Bücherkisten warten und Hardy Kettlitz, der den Stand zusammen mit mir einrichtet. Wie großartig!
Doch voher rasch noch ein Überblick über das, was Euch an konkreten Terminen bei uns am Stand (Halle 5, E505) erwarten:
21. März | 15:30 Uhr: Unsere Gestalterin Ben (www.benswerk.com)
22. März | 12 Uhr: Lisa Kuppler | Die Lektorin von Alan Moore (Jerusalem)
22. März | 13 Uhr: Karen Nölle | Die Übersetzerin von Urusla K. Le Guin (Immer nach Hause)
22. März | 14 Uhr: Erik Simon | Der Autor (Simon’s Fiction) und Übersetzer
Ich finde es toll, dass uns vier Gäste besuchen, die alle für eine andere Form kreativer Tätigkeit stehen — es gibt also viel zu bereden. Ob bei diesen Gelegenheiten oder sonst von Donnerstag bis Sonntag: Ich freue mich auf Sie und Euch …
Donnerstag, der 14. März 2024
Die Branchenpresse berichtet über Carcosa! Vor einigen Wochen hat der Leipziger Journalist Nils Kahlefendt in der Wittenberger Verlegerklause vorbeigeschaut, sich angehört, was ich über die Entstehung und Entwicklung von Carcosa zu berichten hatte, und alsbald für das Börsenblatt des deutschen Buchhandels einen Beitrag verfasst. Das Börsenblatt ist, für alle, die damit wahrscheinlich eher nicht vertraut sind, die Mitgliederzeitschrift des, genau, Börsenvereins des deutschen Buchhandels, der Standesvertretung der Buchbranche.
Carcosa ist in diesem Verein bislang nicht beigetreten, aus Sparsamkeit natürlich (Vereine verlangen Mitgliedsbeiträge, um anfallende Kosten zu decken), aber auch aufgrund eines tiefen Misstrauens gegenüber diesem doch recht bräsigen Zusammenschluss, der den eigentlich unmöglichen Balanceakt unternimmt, auf der einen Seite die Verlage, auf der anderen den Sortimentsbuchhandel zu repräsentieren, Produzenten und Verkäufer also, zwei Seiten, deren Interessen naturgemäß nur schwer unter einen Hut zu bringen sind.
Aber davon ganz unabhängig habe ich mich sehr über den Besuch von Nils Kahlefendt gefreut, zumal sich dieser als kluger, freundlicher und gut vorbereiteter Fragensteller erwies. Nachdem der entsprechende Beitrag nun in voller Länge online zu lesen ist, verweise ich gerne darauf, wenngleich mit einem leicht mulmigen Gefühl, ist es doch nicht ganz einfach, sich in einer professionellen Außenbetrachtung selbst wiederzufinden. Schüchternheit und Eitelkeit halten sich da, meine ich, die Waage.
Von Nils Kahlefendt stammt im Übrigen auch das hinreißende Bild, auf dem hinter verschneiten Bäumen die Fenster des Verlagsbüros zu sehen sind. Ja, so schön kann es in Wittenberge sein! Auch wenn ich froh bin, dass ich von meinem Schreibtisch aus inzwischen wieder auf eine grüne Wiese blicke, im Westen das majestätische Bahnhofsgebäude im letzten Licht der untergehenden Sonne. Jetzt noch einkaufen, und dann geht es weiter mit der Lektüre des ersten Drittels der Druckfahnen des Mammutromans Jerusalem von Alan Moore, das bei uns in diesem Herbst erscheinen wird. Aber dazu mehr im nächsten Monat …
Montag, der 4. März 2024
Die März-Neuheiten sind da! Abermals ein großes Lob an unsere Druckerei Finidr — überpünktlich sind diese Woche die Paletten mit den drei Büchern im Lager eingetroffen, die unser Frühjahrsprogramm vervollständigen: Schwelende Rebellion von Leigh Brackett, Das Einstein-Vermächtnis von Samuel R. Delany und In fernen Gefilden, der erste Band unserer Werkausgabe der großen Joanna Russ.
Mein wundervoller Kollege Hardy Kettlitz ist bereits das ganze Wochenende beschäftigt, Lieferscheine und Rechnungen zu schreiben und dafür zu sorgen, dass alle vorbestellten Bücher möglichst bald an unsere Privatkund:innen, an die Buchhandlungen und an die Zwischenhändler verschickt werden.
Parallel dazu kümmere ich mich — neben dem Übersetzen und dem Lektorieren — um die Vorbereitungen, die für unseren Messestand in Leipzig anfallen. Das ist viel Kleinkram, aber ich freue mich schon sehr darauf, einmal wieder diese besondere Atmosphäre schnuppern zu dürfen … und vor allem mit möglichst vielen von Euch und Ihnen zu sprechen.
Wir werden mit dem kompletten Programm von Carcosa und Memoranda in Halle 5 (E 505) sein, zehn Bücher von Carcosa und ziemlich genau fünfzig (!) von Memoranda. Solange der Vorrat reicht, sind die Bücher am Stand käuflich zu erwerben oder, aus erschienenen und künftigen Programmen, (vor)bestellbar. Kommt vorbei, outet Euch als Phantastik-Interessierte und Leser:innen unserer Bücher, sagt einfach Hallo — Ihr seid uns sehr willkommen!
Und ein kurzer Bogen zurück zum Anfang: Mit den eingetroffenen Neuheiten sind jetzt, wie gesagt, zehn Carcosa-Bücher erhältlich — natürlich der ideale Zeitpunkt, um direkt zu bestellen und sicherzugehen, dass alles noch vor der Buchmesse eintrifft. Wie immer in dem Sinne: Unterstützt unabhängige Verlage!
Donnerstag, der 15. Februar 2024
Weitere Werke von Ursula K. Le Guin — die Tinte unter den (elektronischen) Verträgen ist trocken, ich kann es also bekanntgeben: Bei Carcosa werden im Laufe dieses und des nächsten Jahres zwei weitere Bücher von Ursula. K. Le Guin erscheinen, eine Neuausgabe und eine dt. Erstausgabe! Immer nach Hause war in unserem ersten Programm ein großer Erfolg, und so freut es mich besonders, dass ich die im S. Fischer Verlag begonnene Folge von Werken dieser wundervollen Autorin fortsetzen kann.
Unter Le Guins SF-Romanen nimmt The Lathe of Heaven eine Sonderstellung ein: Er gehört keiner Serie an und ist auch in erzählerischer Hinsicht ungewöhnlich, denn ich hatte bei der erneuten Lektüre die ganze Zeit den Eindruck, in einen überraschend stilsicheren Text von Philip K. Dick hineingeraten zu sein. Außerdem ist dieses erstmals 1971 erschienene Buch mit seiner im Hintergrund aufscheinenden Darstellung einer unter krassen Umweltschäden leidenden Welt bestürzend aktuell.
Bei Lavinia dagegen, das bisher noch nicht auf Deutsch vorlag, handelt es sich um einen metafiktionalen Roman, in dem Le Guin einer Nebenfigur aus Vergils Aeneis, die dort, trotz ihrer großen Bedeutung für den Handlungsverlauf, nur eine Nebenrolle spielt, eine Stimme gibt: Eine bislang stumme Gestalt wird zur Erzählerin einer fesselnden Geschichte aus einem völlig neuen Blickwinkel. Nach kaum zwanzig Seiten hatte ich vollständig vergessen, dass ich ein Buch las, sondern lauschte aufmerksam einer ebenso selbstbewussten wie klugen Frau, die ihr Leben erzählt.
Ursula K. Le Guin ist für mich — und nicht nur für mich — eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen unserer Zeit. Ihr Werk, das schon zu ihren Lebzeiten Generationen von Leser:innen beeindruckte und begeisterte, entfaltet derzeit eine ungeahnte Breitenwirkung auch außerhalb der phantastischen Genres. Es macht mich stolz und glücklich, zwei weitere Romane in deutscher Sprache publizieren zu dürfen.
Dienstag, der 6. Februar 2024
Universum der Behaglichkeit — unter diesem Titel hat Hartmut Kasper für den Deutschlandfunk die beiden Kurzromane um Dex und Helmling von Becky Chambers besprochen. Und nachdem ich an dieser Stelle vor einiger Zeit recht missmutig auf eine (ebenfalls weitgehend positive) Rezension eines Carcosa-Buches reagiert habe, möchte ich nun meiner Begeisterung Ausdruck verleihen: Ich halte das, was da vor zwei Tagen am 4. Februar in der Sendung Büchermarkt ausgestrahlt wurde und im Archiv des DLF zu hören ist, für geradezu mustergültig.
Kasper setzt sich nicht nur feinfühlig mit dem Inhalt des Doppelromans auseinander, er stellt das Werk fundiert in den Kontext der Science Fiction im Besonderen und der Literatur im Allgemeinen. Er erfasst, dass es sich dabei um eine »aus der Pandemie geborene Glücksphantasie« handelt, setzt sich mit dem Problem der Neo-Pronomen auseinander und stellt zum Schluss die durchaus berechtigte Frage: »Streift die Harmlosigkeit der Handlung, die Unversehrtheit von Mensch und Natur, die hier zu bestaunen ist, diese Erzählung, die auch noch als Psalm und Gebet tituliert wird, nicht gelegentlich den Kitsch?«
Um dann auszuführen: »Ja. Mag sein. Gelegentlich. Aber man nimmt es diesem leichtherzigen, damit wie aus der Zeit gefallenen Roman nicht übel. Man hat Utopien wie diese als Hope Punk bezeichnet und das Konzept der sich nicht unbedingt sexuell aneinanderbindenden, aber findenden Figuren als Found Family. (…) Und wo könnte man sich sicherer fühlen als im Ochsenbike auf phantasierten Monden unterwegs mit dem Roboter seines Lebens?«
Ich empfehle sehr, sich in Ruhe den ganzen Beitrag anzuhören. Und wünsche mir weitere solche kluge, kritische Texte, die sich mit dem auseinandersetzen, was wir und andere Verlage für den Buchmarkt auswählen …
Freitag, den 26. Januar 2024
Save the Date. Carcosa & Memoranda sind vom 21. bis 24. März 2024 auf der Leipziger Buchmesse! Gestern kam die Bestätigung mit unserer Standnummer: Wir werden im Umfeld der unabhängigen Verlage in Halle 5 sein, Standnummer E505 — einfach zu merken, oder? Halle 5, E505.
Ein wenig ist das auch ein Déjá-vu. Mehrere aufeinanderfolgende Jahre war ich als Golkonda-Verleger in Leipzig, ebenfalls mit einem Kleinststand (2 x 2 Meter), anfangs noch in der Fantasy-Halle, dann bei den Publikumsverlagen gegenüber der Hobbit Presse bei Klett-Cotta.
Dieses Mal haben wir beschlossen, uns dort zu platzieren, wohin wir gehören: zu den Independents. Schräg gegenüber ist der Hamburger Argument Verlag (danke, Else!), mit dem ich schon lange freundschaftlich verbunden bin, und in Rufweite sind so tolle Verlage wie Alexander, Edition Natulius, Orlanda, Unrast und die VSA.
Also: Erzählt es weiter, besucht uns auf einen Plausch (bringt Getränke mit). Memoranda-Verleger Hardy Kettlitz wird ab und an vorbeischauen, ebenso unsere Gestalterin Ben, und Le-Guin-Übersetzerin Karen Nölle hat sich angesagt — kurz vor der Messe werde ich hier einen Terminplan posten. Ich freue mich sehr, Euch alle zu sehen! Leipzig, here we come …
Montag, den 15. Januar 2024
Zwei neue Bücher von Becky Chambers! Als ich vor einigen Jahren, 2015 muss das gewesen sein, einen großartigen Roman mit dem wundervollen Titel A Long Way to a Small Angry Planet von einer damals noch völlig unbekannten Autorin las, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich einmal etwas von ebendieser Autorin würde in meinem eigenen Verlag publizieren dürfen — doch jetzt ist es soweit: Mit Ein Psalm für die wild Schweifenden und Ein Gebet für die achtsam Schreitenden sind soeben die beiden Bände des Doppelromans Dex & Helmling erschienen.
Und wie schön sie geworden sind! Um diesen Texten gerecht zu werden, haben wir uns ein besonderes Format ausgesucht, etwas kleiner als unsere Paperbacks, dafür fest gebunden, mit Fadenheftung und Lesebändchen. Auch die Covergestaltung ist etwas anders, besteht bei gleicher Typographie aus einem vierfarbigen, schmucklackierten Mandala (danke, Ben!), und innen ein diesem Format angepasster Satzspiegel, der den Augen schmeichelt (danke, Hardy!).
Und wie angekündigt sind diese Bücher pünktlich zur Monatsmitte (danke, Hardy!) bei uns erhältlich. Alle Vorbestellungen werden derzeit verschickt, und auch die großen Pakete an die Zwischenhändler sind unterwegs, sodass die Buchhandlungen vor Ort wie auch der Internethandel bald bestückt sein sollten.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal daran erinnern, dass diese Werke zwar von Becky Chambers verfasst wurden, wir sie aber auf Deutsch in der Fassung von Karin Will lesen, die sie mit großer Feinfühligkeit übersetzt hat (danke, Karin!). Es handelt sich um zwei miteinander verknüpfte, ebenso kluge wie optimistische Erzählungen, wie wir sie in diesen Zeiten gut gebrauchen können.
Wir freuen uns auf und über Eure Bestellungen, und wir freuen uns auf und über Eure Rückmeldungen!
Mittwoch, den 10. Januar 2024
»Versuchsballon, gefüllt mit Qualität und Hoffnung« — unter dieser Schlagzeile hat Michael Drewniok auf der Phantastik-Couch unseren ersten Almanach Vor der Revolution besprochen. Über diese ausführliche und begeisterte Rezension habe ich mich sehr gefreut, denn in dem Almanach steckt eine Menge Arbeit und Herzblut, und ich hoffe, dass wir mittelfristig eine zweite Folge werden publizieren können. Ein paar Ideen habe ich schon, aber ein paar Dinge möchte ich auch anders und besser machen, und vorher möchte ich mir noch ein wenig den Kopf zerbrechen.
Doch darum soll es in dem heutigen Blogpost nicht gehen. Vielmehr merkte ich, als ich die Rezension ein zweites und drittes Mal las, dass mir daran auch einige Dinge so gar nicht behagten, was wahrscheinlich nur bedingt an ebendiesem Text liegt, sondern vielmehr an bestimmten Reaktionen auf das Carcosa-Programm allgemein, mit denen ich mich nicht so richtig wohlfühle.
Ich glaube, mich stört ganz grundlegend, dass viele Menschen ab einem gewissen Alter (ich kann mich da nicht ganz ausschließen) dazu neigen, pauschal zu behaupten, früher sei alles besser gewesen. Im ersten Absatz der vorliegenden Rezension bezeichnet sich Michael Drewniok indirekt gleich als »altgedienter Leser und deshalb vielgeprüfter Zyniker«. Hm. Dann wird den Carcosa-Schaffenden unterstellt, ihr Programm »im Wissen darum, dass man das Publikum einer Star Wars-geprägten Dumm-Bumm-SF wohl nicht erreichen wird«, zu gestalten. Hm. Dann ist da von einem Genre-Mainstream die Rede, »der sich um in ihrer Freizeit offensichtlich schlagartig hirnfreie Leser kümmert«. Hm. Von Endlosserien, die »in den heutzutage dominierenden Abverkaufsstationen — Buchläden gibt es praktisch nicht mehr — verklappt werden«. Hm. Und schließlich davon, dass eine »träge Leserschaft nicht in ausreichender Zahl Geld für ungewöhnliche Phantastik ausgeben« will. Hm.
Das sind jetzt eine ganze Menge Hms, die ich vielleicht erklären sollte. Ich bin mitnichten der Meinung, dass heutige Leser:innen in kargen Zeiten leben. Noch nie war es, dank Internet und auch dank vieler antiquarischer Anbieter, so einfach, in einer riesigen Auswahl deutsch- und englischsprachiger Phantastik zu stöbern und diese, oft sogar recht preisgünstig, zu erwerben. Wenn Leser:innen als faul und dumm abgeurteilt werden, klingt mir das immer sehr nach bildungsbürgerlichem Eigenlob, als dürfe nur gelesen werden, um sich fortzuentwickeln. Und »früher« (wann auch immer das gewesen sein mag) mögen Buchhandlungen zwar viel geboten haben, aber bestimmt keine SF/Fantasy — die war schön den beratungsgfreien »Abverkaufsstationen« im Bahnhofs- und Zeitschriftenhandel vorbehalten.
Wobei ich nicht falsch verstanden werden möchte: Ich kann eine gewisse Sehnsucht nach Bücherkäufer:innen, die von ihrer Lektüre herausgefordert werden möchten, durchaus verstehen. Aber ich bemühe mich, meine eigenen Vorlieben möglichst nicht zu verallgemeinern, um anschließenend über Andersdenkende und Anderslesende zu urteilen. Natürlich ist das Carcosa-Programm von dem geprägt, was Hardy Kettlitz und ich mögen. Aber ich würde mir wünschen, subjektive Begeisterung käme öfter auch ohne die Abwertung anderer Geschmäcker aus, dann wäre sie glaubwürdiger.
Besonders geschmerzt (und aufgebracht) hat mich Michael Drewnioks Äußerung über den im Almanach enthaltenen Essay von Dietmar Dath. Denn dieser, so schreibt er, sei »das Paradebeispiel für eine Informationsvermittlung, die in einem Wust fachbegrifflich überfrachteter, schwurbeliger Formulierungen versackt sowie neben der Allgemeinverständlichkeit einen roten Faden vermissen lässt« und für »einschlägig vorgebildete Akademiker« geschrieben. Diese Bemerkungen zeigen, dass der Rezensent sich für jemanden hält, der für die goldene Mitte dessen steht, was lesenswert ist. Alles, was ihm zu dumm ist, ist zu dumm, alles, was ihm zu hoch ist, ist verschwurbelt und akademisch.
Und damit sind wir bei einem Grundproblem, das vor allem viele Kundenrezensionen bei einschlägigen Internethändlern so schwer verträglich macht, gegen das aber auch Rezensent:innen mit einem gewissen Anspruch nicht gefeit sind: die Unfähigkeit, nicht automatisch von der eigenen Meinung auf das Allgemeingültige zu abstrahieren. Und damit meine ich: Es ist völlig in Ordnung, etwas doof zu finden; es ist kurzsichtig und überheblich, daraus zu folgern, dass etwas doof ist.
Ich möchte ganz bestimmt nicht behaupten, dass mir dieser Fehler nicht selbst viel zu oft unterläuft. Und ich hoffe, es entsteht auch nicht der Eindruck, ich wolle einen bestimmten Rezensenten an den Pranger stellen — ganz im Gegenteil! Ich hoffe, dass Michael Drewniok noch viele Carcosa-Bücher liest und ebenso viel Vergnügen an ihnen findet wie an dem Almanach. Aber ich wünsche mir einfach ein wenig mehr Differenzierungsvermögen, gerade bei Rezensenten, die ihr Publikum dank ihres Alters an einer weitläufigen Belesenheit teilhaben lassen können. Schließlich publizieren wir nicht deshalb so viele Klassiker bei Carcosa, weil in früheren Zeiten grundsätzlich bessere Bücher erschienen wären. Uns kommt es (unter manchem anderen) darauf an, die literarischen Ozeane auszuloten, auf denen jene Autor:innen schwimmen, die heute die tollen Bücher schreiben. Wir möchten ein fundiertes Wechselgespräch zwischen den Autor:innen von gestern und von heute ermöglichen.
Und deshalb bemühen wir uns um vollständige, dem jeweiligen Werk in seiner Individualität angemessene Übersetzungen in gefälliger Ausstattung. Und hoffen auf Eure fortwährende Unterstützung in Form von wohlwollenden Bestellungen …
Montag, der 1. Januar 2024
Ein frohes neues Jahr! Das wünsche ich allen, die in den letzten zwei Jahren tatkräftig und geduldig dazu beigetragen haben, dass Carcosa im Oktober 2023 mit fünf Büchern an den Start gehen konnte, an allererster Stelle natürlich dem Memoranda-Verleger Hardy Kettlitz, ohne den dieser Traum ebendas geblieben wäre — ein Traum. Aber auch allen anderen, die durch ihre Arbeit an Texten und Umschlägen (danke, Ben!) aus Plänen gedrucktes Papier (oder das Äquivalent in Pixel-Form) gemacht haben.
Aber heute will ich nicht so sehr über die Anfänge sprechen, sondern vielmehr über — die Fortsetzung! Denn vor wenigen Minuten habe ich unsere zweite Vorschau ins Netz gestellt, die über unsere fünf Frühjahrs-Novitäten informiert. Bei zwei dieser Neuheiten handelt es sich um weitere Bände von Autor:innen, die bereits in unserem ersten Programm vertreten waren: Schwelende Rebellion von Leigh Brackett enthält drei klassische Planetenabenteuer aus der Hochzeit des Pulp Magazins, genau, Planet Stories; und mit Das Einstein-Vermächtnis legen wir eine weitere Neuübersetzung aus dem meisterhaften Frühwerk von Samuel R. Delany aus der Feder von Jakob Schmidt vor.
In fernen Gefilden von Joanna Russ wiederum ist der Auftakt unserer dreibändigen Werkauswahl einer Autorin, die es hierzulande in ihrer ganzen Vielfalt erst noch zu entdecken gilt. Diese drei Bücher erscheinen im kommenden März, während die beiden neuen Bände von Becky Chambers, Ein Psalm für die wild Schreitenden und Ein Gebet für die achtsam Schreitenden, bereits Mitte Januar, also in rund zwei Wochen erhältlich sein werden. Und natürlich bereits vorbestellbar sind.
In diesem Sinne: Auch all jenen, die uns durch den Kauf unserer Bücher unterstützen, die allerorten (meist virtuell) über sie sprechen oder neugierig auf dieser Internetseite vorbeischauen, ein gesundes und glückliches neues Jahr. Dankeschön. Auf ein Jahr 2024 voller großartiger Leseabenteuer!
Sonntag, den 17. Dezember 2023
Ein Lob dem Buchhandel! Seit rund fünf Jahrzehnten (plus minus ein paar Zerquetschte) üben Buchhandlungen auf mich eine geradezu magische Wirkung aus. Welche Stadt ich auch besuche, ich finde mit traumwandlerischer Sicherheit jene Orte, wo es neue oder, was beinahe noch faszinierender ist, antiquarische Bücher zu kaufen gibt. Dabei musste ich, als ich 1998 nach Berlin gezogen bin, schmerzhaft miterleben, wie die kleineren, von ihren Inhaber:innen geführten Buchläden immer weniger und die nach vorgegebenen Strickmustern gestalteten Filialen der großen Ketten immer mehr wurden.
Umso erfreuter bin ich deshalb, wenn ich sehe, dass auch die Buchhändler:innen, die in diesen Filialen arbeiten, die dort existierenden Freiräume zu nutzen wissen und das Angebot über das hinaus, was das Zentrallager vorgibt, erweitern. Und gestern bin ich auf ein Beispiel dieses kreativen Einsatzes für ein möglichst breites Buchangebot gestoßen, das mein Herz höher schlagen ließ.
Denn in der großen und vorweihnachtlich rammelvollen Thalia-Filiale in der Hamburger Europapassage besteht knapp die Hälfte der Science-Fiction-Auslage aus … Carcosa-Büchern. Das komplette erste Programm ist dort gestapelt! Was einem kleineren Wunder gleichkommt, wird doch um die Angebotsfläche in den Buchriesen mit harten Bandagen (und viel Geld) gekämpft. Einen ganz herzlichen Dank an die dort zuständigen Kolleg:innen! Wer also in Hamburg zu Hause ist und sich unsere Bücher einmal näher anschauen möchte, wird dort fündig.
Wobei ich natürlich nicht vergessen möchte zu erwähnen, dass Berliner:innen es da grundsätzlich einfacher haben: Ihnen präsentiert die legendäre Otherland Buchhandlung in Kreuzberg die ganze Bandbreite an phantastischer Literatur mit allerbester Beratung, und darunter natürlich auch alles, was bei Carcosa erschienen ist und erscheint. Der Laden steht völlig zu Recht inzwischen in fast jedem Reiseführer, und auch sporadischen Berlin-Besucher:innen sei er wärmstens ans Herz gelegt.
Wer unsere Bücher noch an anderen Orten entdeckt — bitte schickt uns Fotos, dann stelle ich hier bei nächster Gelegenheit eine Galerie zusammen. Damit ich nicht nur im Vorweihnachtsrummel darüber informieren kann, wo es sich besonders lohnt, eine Buchhandlung aufzusuchen …
Montag, den 11. Dezember 2023
Aktueller denn je! Ist laut Dietmar Dath der Roman Babel-17 von Samuel R. Delany, der vor knapp zwei Monaten bei Carcosa erschienen ist. In der heutigen Ausgabe der FAZ steht unter der Schlagzeile Ungeahnte Fähigkeiten: Was kann KI, was wir nicht können? unter anderem: »Wer Deutsch liest, durfte dieses Jahr ein altes Wissen wiederfinden, das nie zeitgemäßer war als gerade jetzt: Der neu gegründete Kleinverlag Carcosa brachte im Oktober eine Neuübersetzung des Romans Babel-17 des Schriftstellers und Literaturwissenschaftlers Samuel R. Delany aus dem Jahr 1966 heraus.«
Besonders freut mich, dass auch die Arbeit von Übersetzer Jakob Schmidt ausdrücklich gelobt wird. Delany ins Deutsche zu bringen ist eine ziemliche Herausforderung, und ich schätze mich glücklich, dafür einen ebenso klugen wie vielseitigen Mitstreiter gefunden zu haben.
Erst gestern habe ich die Neuübersetzung von The Einstein Intersection mit meinen Änderungsvorschlägen und Lektoratsanmerkungen an Jakob gemailt — das Buch wird im März unter dem Titel Das Einstein-Vermächtnis bei uns erscheinen (eigentlich müsste es auf Deutsch »Der Einstein-Schnittpunkt« heißen, aber das klingt vielleicht doch ein wenig zu merkwürdig).
Und wenn wir gerade über Samuel R. Delany sprechen (der hier, mit freundlichem Dank an die Wikipedia, abgebildet ist, und nicht etwa Jakob Schmidt): Dietmar Dath hat ihm bereits im April letzten Jahres zum 80. Geburtstag gratuliert, ihn als »einen der bedeutendsten Science-Fiction-Autoren und ein Pionier des Afrofuturismus« bezeichnet und seine beiden Hauptwerke Dhalgren und Through The Valley of the Nest of Spiders herausgestellt.
An einer Neuausgabe von Dhalgren arbeiten wir bereits, und zwar gemeinsam mit der Übersetzerin der deutschen Erstausgabe, Annette von Charpentier, dank der nicht nur ich dieses Mammutwerk in jungen Jahren lesen konnte. Und Through The Valley of the Nest of Spiders … werde ich hoffentlich selbst übersetzen dürfen, wenn die finanziellen Rahmenbedingungen uns das irgendwann erlauben (projektspezifische Spenden sind ausdrücklich erwünscht).
Deshalb: Unterstützt uns mit Direktbestellungen, wir bringen dafür tolle Bücher auf den Weg .…
Montag, den 4. Dezember 2023
Beste Laune! Genau das herrscht in den heiligen Hallen von Carcosa (in Wittenberge) und Memoranda (in Berlin). Was verschiedene Gründe hat. Wie ich beim letzten Mal geschrieben habe, wurde Immer nach Hause von Ursula K. Le Guin in der ARD-Sendung Druckfrisch vorgestellt. Daraufhin sind offenbar eine Menge Menschen neugierig geworden und haben das Buch bestellt. Inzwischen ist ziemlich genau die Hälfte der Erstauflage verkauft, und das bedeutet, auch dank unserer sparsamen Kalkulation und nicht vorhandenen Gewinnorientierung, dass nicht nur dieses Buch, sondern das erste Carcosa-Programm insgesamt seine Kosten eingespielt hat.
Und es bedeutet auch, das wir einigermaßen entspannt in die Zukunft blicken und die nächsten Programme planen können. Zwischen neun und zehn Bücher sollen bei Carcosa 2024 erscheinen, und da kommt einiges an Kosten auf uns zu. Am aufwändigsten darunter wird eindeutig die deutsche Erstausgabe des Riesenromans Jerusalem von Alan Moore, ein Werk jenseits der zweitausend Manuskriptseiten und eines der wunderbarsten und verstörendsten Bücher, die ich je gelesen habe. Und wenn wir schon einmal bei Alan Moore sind (hier bitte laute, dramatische Musik einspielen) …
Morgendlicher Ausblick vom Verlagsschreibtisch
Die Farbe auf den Lizenzverträgen ist trocken, also kann ich jetzt auch öffentlich darüber sprechen: Carcosa hat die Rechte an Alan Moores neuer Serie Long London erworben, ein fünfbändiges phantastisches Romanepos, das ab Herbst 2024 im englischen Original und ab Herbst 2025 bei uns auf Deutsch erscheinen wird. Der erste Band ist ein Ausflug ins London der Nachkriegszeit, wo ein junger Mann, der am Leben eigentlich bereits genug zu tragen hat, mit einer Welt jenseits unserer Realität konfrontiert wird, einem zweiten London, in dem uralte Magier herrschen und unsere Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind.
Mich hat das Vorabmanuskript völlig umgehauen, und auch wenn ich weiß, dass ich Moore im Laufe der Übersetzungsarbeit (wie bei Jerusalem im Übrigen auch) vielfach verfluchen werde — Long London ist literarische Phantastik vom Feinsten! Hier brennt ein Meister seines Fachs für seine Geschichte, für seine Figuren, für jeden einzelnen Satz. Dieses Serie wird, so hoffe ich, im Laufe der nächsten Jahre das Rückgrat von Carcosa bilden. Und wenn alles so läuft, wie wir uns das erhoffen, gibt es noch drei weitere Moore-Bücher, deren wir uns annehmen möchten.
Deshalb: Bitte unterstützt uns, indem Ihr unsere Bücher bestellt und vorbestellt. Wir werden es Euch mit einem einzigartigen Verlagsprogramm danken …
Sonntag, den 19. November 2023
Carcosa im Ersten! Selten hat mich eine Nachricht in Zusammenhang mit Carcosa so elektrisiert wie die Mail, die ich vergangenen Mittwoch von Le Guin-Übersetzer Matthias Fersterer erhalten habe. Die Betreffzeile dieser Mail lautete: Jetzt also doch: Druckfrisch.
Büchermacher:innen und auch viele Bücherfreund:innen wissen, dass die ARD-Sendung Druckfrisch vergleichbare Formate, die sich im Fernsehen mit Literatur beschäftigen, an Unterhaltungswert und Publikumswirksamkeit weit übertrifft. Autor und Moderator Denis Scheck verleiht dort immer wieder auch seiner Begeisterung für die phantastischen Genres Ausdruck. Und heute Abend spricht er über Immer nach Hause von Ursula K. Le Guin!
Bild: ARD
Vor ziemlich genau einem Vierteljahr habe ich Denis Scheck eine Mail geschrieben, in der ich ihn über das erste Programm von Carcosa informierte. Seine Antwort, die innerhalb weniger Minuten eintraf, lautete ebenso prägnant wie erfreulich: »Glückwunsch zu diesem mutigen Schritt! Always Coming Home ist ein Favorit von mir …« Seither haben wir immer mal wieder indirekt mitbekommen, dass Scheck auf der Frankfurter Buchmesse und bei anderen Veranstaltungen für uns, wie er es ausdrückt, »ein wenig harft«.
Darüber und über die Buchvorstellung heute Abend ab 23:35 Uhr im Ersten (oder hier in der ARD-Mediathek) freuen wir uns , vorsichtig ausgedrückt, sehr! Das ist ein bedeutender Beitrag zu unseren Bemühungen, diese kluge und unbestechliche Autorin im deutschsprachigen Raum noch bekannter zu machen — und es wird natürlich auch dafür sorgen, dass Immer nach Hause im Besonderen und das Carcosa-Programm im Allgemeinen auf dem Buchmarkt präsenter wird. Für einen Kleinverlag mit einem doch sehr übersichtlichen Werbebudget ist das ein Segen.
Ach ja, und was eine weitere Nachricht berifft, die mich elektrisiert hat — diese hängt mit dem britischen Roman- und Comicautor Alan Moore zusammen, der gestern siebzig Jahre alt geworden ist und dessen Opus magnum kommenden Herbst bei Carcosa erscheinen wird. Aber darüber mehr in einer Woche. Für heute erst einmal: Habt Ihr Immer nach Hause denn schon bestellt? Die Erstauflage ist bestimmt bald ein gesuchtes Sammlerstück 😉
Sonntag, den 12. November 2023
On the road! Am vergangenen Mittwoch und Donnerstag durfte ich an zwei Abenden in Berlin das Carcosa-Programm vorstellen, und zwar zusammen mit Matthias Fersterer, Hardy Kettlitz und Karen Nölle in der Buchhandlung Otherland und zusammen mit Hardy Kettlitz und Karen Nölle im SF-Club Andymon. Beide Veranstaltungen waren »ausverkauft«, sofern sich das bei freiem Eintritt sagen lässt, und eines der zentralen Themen war jedes Mal das Übersetzen von Literatur — kein Wunder, bildeten Matthias Fersterer und Karen Nölle doch zusammen mit Helmut W. Pesch das Trio, das Immer nach Hause von Ursula K. Le Guin ins Deutsche übertragen hat.
Da passte es natürlich gut, dass ich mir zuvor am Mittwoch noch die Zeit genommen habe (und Zeit habe ich gerade denkbar wenig), um auf der Carcosa-Homepage alle »unsere« Übersetzer:innen auf einer gesonderten Seite vorzustellen. Noch immer ist es vielen Leuten nicht bewusst, dass ein ganzer Berufsstand unzählige Arbeitssstunden, Arbeitswochen und Arbeitsmonate — manchmal sogar Jahre — aufwendet, damit wir literarische oder andere Texte lesen können, deren Originalsprache wir nicht mächtig sind.
Karen Nölle und Hannes Riffel auf dem Berliner Metropol Con im Mai 2023
Darüber haben Karen Nölle und ich in diesem Jahr schon auf dem Metropol Con gesprochen (wie hier nachzuhören ist), wo wir die Übersetzung von Immer nach Hause erstmals vorstellten, und dieses Thema wird uns auch noch länger beschäftigen. Erst letzte Woche erhielt ich die Mail eines befreundeten, von mir sehr geschätzten Literaturübersetzers, der mir mitteilte, dass er den Beruf wechseln werde, da er fest damit rechnet, dass Verlage unseresgleichen künftig durch KIs ersetzen würden, und er habe so gar keine Lust, demnächst maschinell erstellte Texte zu redigieren.
Auch wenn uns dieses Szenario hoffentlich nicht allzu bald bervorsteht, folgt es doch der Logik rein kapitalistischen Denkens, mit möglichst wenig Aufwand einen möglichst großen Ertrag zu erwirtschaften. Dass dabei eine Vielfalt von Qualitäten auf der Strecke bleibt, welche sich den Fähigkeiten, Erfahrungen und Emotionen von Menschen verdankt, die mit Leidenschaft einer Tätigkeit nachgehen, dass dabei immer noch mehr Leute in Jobs gedrängt werden, die selbst mit dem klassischen Begriff der entfremdeten Arbeit nur noch unzureichend beschrieben sind — das interessiert die Damen und Herren in den Entscheidungsgremien offenbar überhaupt nicht.
Womit wir wieder bei der Frage wären, warum wir, von der reinen Subsistenz abgesehen, das machen, was wir machen. Und ob wir uns noch weiter in die Abhängigkeit von Technologien begeben möchten, die uns immer vollständiger in dienende Funktionen zwingen, wo Kreativität und künstlerisches Wirken nicht einmal mehr als Spurenelemente vorhanden sind. Ich schätze mich jedenfalls äußert glücklich, mit kreativen, künstlerisch hochbegabten Menschen zusammenarbeiten zu dürfen. Und hoffe, dass die Begeisterung, mit der so viele Leute an der Entstehung unserer Bücher teilhaben, auch auf die Leser:innen überspringt …
Sonntag, den 5. November 2023
Was mich sonst so umtreibt! Vergangenen Mittwoch habe ich eine Veranstaltung im Hamburger Literaturhaus besucht, die mich sehr beeindruckt hat, aus persönlichen wie aus inhaltlichen Gründen. An diesem Abend wurde die neue Buchreihe rororo entdeckungen vorgestellt, in der die beiden Herausgeberinnen Magda Birkmann und Nicole Seifert pro Halbjahr drei »Romane bemerkenswerter, aber bereits vergessener Autorinnen aus dem zwanzigsten Jahrhundert« präsentieren, in schöner Taschenbuchausstattung und mit klugen Nachworten versehen.
Da meine Liebste Sünje Redies diese Reihe bei Rowohlt als Lektorin betreut, war ich dabei von Anfang an via Schulterblick involviert, habe mit Begeisterung alle Bücher gelesen und durfte auch, worauf ich sehr stolz bin, das Vorwort von James Balwin zu Eine Tochter Harlems übersetzen. Alle drei Bücher schildern auf sehr prägnante Weise, wie es Frauen zu verschiedenen Zeiten ergangen ist (und immer noch ergeht) und verbinden äußerst gelungen unterhaltsames Erzählen mit politischem Anspruch.
Bei der Auswahl des Carcosa-Programms legen wir ebenfalls großen Wert darauf, Autor:innen zu publizieren, die für eine Vielfalt von Themen und Lebensentwürfen stehen. Das läuft nicht auf eine irgendwie geartete Quote hinaus, aber ich freue mich zum Beispiel darüber, dass in unserem ersten Programm, neben dem Almanach, zwei Bücher von Frauen und zwei von Männern enthalten waren, und im kommenden Frühjahr ist das Verhältnis sogar 4 zu 1.
Ebenso ist es eine ganz bewusste Entscheidung, einer dezidiert feministischen Autorin wie Joanna Russ eine Werkausgabe zu widmen. So wenig wir das wahrhaben wollen, ist unser Blick auf Bücher (beileibe nicht nur auf diese, aber darum geht es hier) noch immer stark von Vorurteilen geprägt, die unsere Erwartungen und unsere Werturteile beeinflussen. Dazu Gegengewichte zu schaffen, ist uns ein Anliegen und ein Vergnügen!
In diesem Sinne — schaut doch mal in Eurer Stammbuchhandlung vorbei und fragt nach den rororo entdeckungen und dem Carcosa-Programm. Vielleicht ist dort ja noch Platz für ein paar außergewöhnliche Bücher …
Sonntag, den 29. Oktober 2023
Wie’s weitergeht! Nach den Neuerscheinungen ist natürlich immer auch vor den Neuerscheinungen, weshalb ich hier einen kurzen Überblick geben möchte, woran wir gerade arbeiten, was also der Stand der Dinge ist bei den Büchern, die im nächsten Jahr erscheinen sollen. Im Laufe der kommenden Woche werde ich die Vorschau- und Klappentexte zum Frühjahrsprogramm schreiben, und dann bekommen diese fünf Bücher auch hier auf der Homepage ausführliche Einzelseiten.
Am weitesten sind wir mit den beiden Bänden von Becky Chambers, die bereits gesetzt und derzeit in der Korrektur sind. Karin Will hat bei der Übersetzung, wie ich finde, hervorragende Arbeit geleistet, und ich bin gespannt, wie diese neuen Werke der Autorin der Wayfarer-Saga aufgenommen werden. Erscheinungstermin ist in diesem Fall der 15. Januar 2024. Um sie etwas aus dem Gesamtprogramm hervorzuheben, erscheinen Ein Psalm für die wild Schweifenden und Ein Gebet für die achtsam Streitenden als kleine, feine Hardcover — wie im Original übrigens, denn in den USA hat das Label tor.com sie als gebundene Bücher und als E‑Books publiziert. Im gleichen Format werden wir dann im Herbst auch den ersten deutschsprachigen Band mit Erzählungen von Karin Tidbeck publizieren, einer jungen schwedischen Stimme.
Ein weiteres Highlight aus dem Frühjahrsprogramm ist für mich der erste Band unserer Ausgabe der Ausgewählten Werke von Joanna Russ. Je mehr ich von dieser Autorin lese, umso beeindruckter bin ich, stilistisch wie inhaltlich ist das Science Fiction auf allerhöchstem Niveau, und das auch bereits in den frühen Alyx-Erzählungen, die wir hier erstmals vollständig auf Deutsch vorlegen. Ergänzt werden diese geistreichen Abenteuergeschichten durch zwei Essays und eine Auswahl von Rezensionen, die eine weitere Facette von Russ’ Werk repräsentieren. Alle Texte sind bereits lektoriert, und sobald ich das Nachwort von Herausgeberin Jeanne Cortiel erhalte, kann auch dieses Buch in den Satz gehen.
Parallel dazu redigiere ich die Neuübersetzung der drei klassischen Eric John Stark-Novellen von Leigh Brackett, die Helmut W. Pesch für uns mit großer Sorgfalt anfertigt. Diese ursprünglich 1949 bzw. 1951 in dem Pulpmagazin Planet Stories erschienenen Texte zeigen im Vergleich zu Das lange Morgen eine ganz andere Seite dieser wundervollen Autorin: Geschichten voller Spannung und Melancholie, denen sie ihren Ruf als »Königin der Space Opera« verdankt, wie Pesch das in seinem umfassenden Essay in unserem Almanach darlegt. Außerdem ist gerade die Neuübersetzung des Romans The Einstein-Intersection von Samuel R. Delany auf meiner Festplatte gelandet, der zweite von drei Romanen, die sich Jakob Schmidt für uns vorgenommen hat. Er wird mir bestimmt darin zustimmen, dass diese Texte eine große Herausforderung für Übersetzer wie Lektor darstellen, und ich freue mich, mit ihm gemeinsam daran weiterarbeiten zu dürfen. — Die drei letztgenannten Bücher werden, so alles nach Plan verläuft, am 18. März 2024 erscheinen, und zwar als schöne Klappenbroschuren.
Viel zu tun also in der Wittenberger Verlagsklause! Und dabei habe ich noch gar nicht erwähnt, dass meine Hauptarbeit wie schon seit buchstäblich Monaten und Jahren der Übersetzung von Alan Moores Meisterwerk Jerusalem gilt (wobei ich glücklicherweise vielfältige Unterstützung habe) , und dass es uns unfassbarerweise gelungen ist … aber nein, darüber rede ich erst, wenn die Verträge unterschrieben sind. Für heute gilt wie immer: Auch alle in der Vorschau genannten Bücher sind schon bei uns direkt vorbestellbar! Danke für Eure großartige Unterstützung …
Dienstag, den 17. Oktober 2023
Draußen in der Welt! Nachdem die ersten fünf Carcosa-Bücher nun erschienen sind, lauern wir natürlich zunehmend auf Rückmeldungen aus dem, was früher schlicht »Presse« genannt wurde und heute eine Vielfalt unterschiedlichster Medien ist. Kein Wunder also, dass ich einen Verweis auf die erste Rezension eines Carcosa-Buches im Internet auf Perlentaucher gefunden habe, obwohl diese in erster Linie in einem Printmedium erschienen ist: Vergangenen Samstag hat Wieland Freund in der WELT unseren Spitzentitel Immer nach Hause von Ursula K. Le Guin besprochen — und zeigt sich von dem Buch äußerst begeistert. Besonders freut mich das Lob an die Adresse der Übersetzer:innen (»vorbildlich«), die schier Unglaubliches geleistet haben. Hoffentlich merken das noch ein paar Leute mehr.
Mein zweiter Verweis auf eine Medienreaktion ist keine Buchbesprechung, sondern ein online geführtes Gespräch mit dem Carcosa-Verleger (also mit meiner Wenigkeit), das seit heute auf dem Blog Kriminalakte anzuschauen ist. Betreiber Axel Bussmer ist in erster Linie als Krimifachmann bekannt, aber er blickt auch mit Begeisterung auf andere Genres und kennt sich vor allem mit der Science Fiction gut aus. Eigentlich sollte das Gespräch »nur« zwanzig Minuten dauern, aber da ich gerade schwer zu bremsen bin, wenn es um mein Herzensprojekt geht, ist es ungefährt das Doppelte geworden. Wer also ein wenig Zeit hat (und nebenher vielleicht Geschirr spülen möchte oder dergleichen), erfährt hier eine Menge über den Verlag im Allgemeinen und die Bücher — erschienene wie geplante — im Besonderen.
Viel Spaß — wir freuen uns auf Eure Rückmeldungen … und auf Eure Bestellungen.
Sonntag, den 8. Oktober 2023
Warum Phantastik? Ich weiß nicht, ob es in meinem Leben viele unveränderliche Wahrheiten gibt. Aber eine davon, vielleicht die zentrale ist: Lesen ist meine Fabrikeinstellung. Wenn ich nur ein paar Minuten »für mich« habe, greife ich reflexhaft zu einem Buch und tauche ab.
Meine literarischen Vorlieben sind, vorsicht ausgedrückt, heterogen. Sie reichen von vorsokratischer Philosophie bis zu ganzen Wänden voller Superheldencomics; und alles dazwischen. Allerdings scheint es Teil meiner Fabrikeinstellung zu sein, immer wieder auf Phantastisches zurückzukommen. Warum?
Sogenannte »realistische« Literatur behauptet etwas, das ich nicht nur für unmöglich halte, sondern sogar für wenig erstrebenswert – sie will die Wirklichkeit abbilden. Dabei verfallen die Autor:innen der Illusion, Ihre Sicht der Dinge sei in irgendeiner Form repräsentativ, könne, ja müsse für andere etwas »bedeuten«.
Mir kommt das (auch dies natürlich maßlos subjektiv) oft kleingeistig vor, und dann greife ich wieder nach Visionärem, denn da »geht es um etwas«. Autor:innen, die Science-Fiction-Literatur in ihrer gewaltigen Möglichkeitsvielfalt ernst nehmen, muten ihren Leser:innen etwas zu. Sie nehmen die Gesellschaft als Ganzes in den Blick, und in den gelungensten Fällen zeichnen sie das Bild einzelner Menschen in ihrem sozialen Umfeld so, dass es die Weltsicht ihrer Leser:innen erweitert.
Seit ich sechzehn war (oder so), habe ich The Dispossessed von Ursula K. Le Guin immer wieder gelesen. Darin beschreibt die Autorin, wie soziale Zusammenhänge anders gelagert sein könnten als in unserer Welt (könnten, nicht sollten). Einiges daran ist problematisch (Samuel R. Delany hat das bis in alle Einzelheiten zerpflückt), aber wer Freie Geister (so der dt. Titel, den ich diesem Roman bei S. Fischer gegeben habe) liest, ohne in irgendeiner Form zu eigenem »Weiterdenken« angeregt zu werden … nun, mich lässt das Buch jedenfalls nicht mehr los.
Und das ich auch einer der Gründe, warum ich so stolz bin auf unsere – erste – deutschsprachige Ausgabe des Großromans Always Coming Home von Ursula K. Le Guin: Immer nach Hause (herausragend übersetzt von Matthias Fersterer, Karen Nölle & Helmut W. Pesch). Dabei handelt es sich um eines der wundervollsten »längeren Gedankenspiele« (mit Dank an Arno Schmidt, selbst ein Träumer von Überformat) der Weltliteratur. Daran teilzuhaben setzt bei mir etwas in Bewegung. Bei mir und bei vielen anderen Menschen. Es wäre schön, wenn diese »Bewegung« immer weiter um sich greifen würde …
Montag, den 2. Oktober 2023
Es ist soweit! Gestern habe ich einen Abstecher auf die Buch Berlin unternommen, wo Memoranda-Verleger Hardy Kettlitz mir die Vorabexemplare unserer ersten fünf Bücher überreicht hat. Alle Bände wurden bei Finidr in Český Těšín gedruckt und gebunden, und die Druckerei hat vorzügliche Arbeit geleistet: Sowohl die Klappenbroschuren als auch das Hardcover sind wunderschön geworden!
Auch das Urteil der Besucher:innen am Stand von Memoranda/Carcosa war einhellig: Das Design überzeugt und gefällt. Für Hardy und mich war es ein großartiges Gefühl, nach zwei Jahren Vorarbeit nun die fertigen Bücher in Händen zu halten. Wobei unsere großartige Designerin Ben natürlich den Löwenanteil zu unserer Freude am äußeren wie inneren Erscheinungsbild beigetragen hat.
Sehr aufgeregt sind wir zudem, weil bereits Vertreter:innen größerer Medien unsere Bücher angefordert haben und darüber berichten wollen (dazu hoffentlich bald mehr). Gerade sind wir damit beschäftigt, die Großhändler zu bestücken und die Vorbestellungen auf die Reise zu bringen, was bis Ende der Woche geschafft sein sollte. Ab nächstem Montag müssten die Bücher dann auch im Handel sein, dann könnt Ihr die örtlichen Buchhändler:innen mit Nachfragen heimsuchen. Beziehungsweise, wie stets: Bitte bestellt direkt bei uns, damit ist uns am meisten geholfen …
Sonntag, den 24. September 2023
Es geht weiter! Nach einem erholsamen Wochenende mit Ausflug in den Wald, um Pilze zu suchen (und zu finden), einem Elbspaziergang und gemächlichem Kochen (natürlich alles zu zweit) werfe ich spätnachmittags noch einen Blick in die Carcosa-Mails — und verfasse die zweite Blogfolge. Die, wie es nicht anders sein darf, eine Eloge auf jenen Menschen ist, ohne den es Carcosa sowie Dutzende anderer Projekte (Magazine, Buchreihen, Veranstaltungen und und und) nicht gäbe: Hardy Kettlitz arbeitet nicht nur Vollzeit für den besten und größten Horror-Verlag hierzulande (Tipp: Verlagssitz ist Leipzig), ist Memorada-Verleger, Buchautor, Herausgeber von Alien Contact (damals) und, zusammen mit Melanie Wylutzki, des SF-Jahrs (heute), Mitbegründer und Auf-Trab-Halter des Berliner SF-Clubs Andymon und Setzer von mehr Büchern, als wir uns beide zu erinnern vermögen, sondern auch seit fünfundzwanzig Jahren ein Freund, wie ich mir keinen besseren wünschen könnte.
Gemeinsam phantastische (und fantastische) Dinge gemacht haben wir erstmals bei Alien Contact, dann beim Shayol Verlag, beim Golkonda Verlag und zwischendurch, wenn sich die Gelegenheit ergab, bei Klett-Cotta und S. Fischer. Dabei erinnere ich mich an großartige Gespräche in der Buchhandlung Otherland, bei Clubabenden oder in Kneipen, an buchstäblich zahllose Mails, deren Spannweite von Konzeptentwürfen für Verlagsprojekte bis zu einzelnen Tippfehlern in Druckfahnen reicht (stets begleitet vom Austausch über persönliche Hoch- und Tiefpunkte) … ohne Hardy wäre mein Leben in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten um ein Vielfaches ärmer gewesen.
Ein paar Dinge zeichnen ihn, aus meiner subjektiven Warte betrachtet, ganz besonders aus: seine beinahe grenzenlose Geduld und Freundlichkeit, seine Begeisterungsfähigkeit und sein unfassbarer Fleiß. Wer selbst in der Buchbranche arbeitet, mag den Aha-Effekt zu schätzen wissen, den es auslöst, wenn ich am frühen Abend die Datei eines Romans maile, mit der Bitte, diesen Text bei Gelegenheit zu setzen — und am nächsten Morgen eine PDF der Druckfahnen im Posteingang habe. Kein Wunder also, dass mein Verhältnis zu Hardy neben großer Zuneigung auch von Sorge begleitet ist, irgendwann könnte diese Effektivität auch ihren Tribut fordern … aber das hindert uns nicht daran, weiter gemeinsam Pläne zu schmieden, uns über gemeinsam produzierte Bücher zu freuen — und zu hoffen, dass das noch eine ganze Weile so weitergeht.
Deshalb sollten wir uns bewusst sein, dass alles, worüber wir uns im Zusammenhang mit Carcosa freuen, ob als Kunstschaffende oder als Kunstschätzende (nicht selten trifft beides zu), zu einem Gutteil aufgrund dieser großartigen Zusammenarbeit mit diesem großartigen Menschen möglich ist. Dem ich — und viele andere — mehr Dank schulden, als sich in Worte fassen lässt. Deshalb einfach nur: Danke, Hardy. Für alles, was wir gemeinsam gemacht haben; und was wir noch gemeinsam machen werden.
Weshalb ich dieses Mal auch mit dem Satz schließe: Haben Sie auch schon ausreichend Memoranda- und Carcosa-Bücher vorbestellt?
Sonntag, den 10. September 2023
Es geht los! Willkommen zum ersten Blogeintrag, in dem ich mich und dieses Projekt kurz vorstellen möchte. Mein Name ist Hannes Riffel, und ich bin … ein Büchermensch. Als es dieses Berufsbild noch gab, habe ich im badischen Freiburg Verlagsbuchhändler gelernt (und dabei den Betrieb von Grund auf kennengelernt: Lektorat, Marketing, Vertrieb, Herstellung, Sortiment …), ein Jahr als Werbemann für einen Zeitschriftenverlag gearbeitet, vorher und hinterher ein paar Semester Anglistik, Geschichte und Psychologie studiert und zusammen mit zwei Freunden eine Buchhandlung für Science Fiction und Fantasy übernommen und ausgebaut. 1998 bin ich nach Berlin gezogen, habe dort die Buchhandlung Otherland mitgegründet und diese 2013 an die nachfolgende Generation übergeben (die eine Menge besser macht, als ich das je gekonnt hätte).
Parallel dazu habe ich an meiner Karriere als Literaturübersetzer gearbeitet (besonders stolz bin ich auf meine Übertragungen der Werke von Hal Duncan, William Gibson, Stephen King und Joe R. Lansdale), für einige kleine und große Verlage Programmarbeit gemacht, einen eigenen Kleinverlag gegründet und verkauft und schließlich sechs Jahre lang für S. Fischer in Frankfurt das Berliner Büro mit dem SF/Fantasy-Imprint Tor geleitet. Nachdem das zerschlagen wurde, habe ich, mich auf die großartige Zusammenarbeit mit Memoranda-Verleger Hardy Kettlitz und der Gestalterin Ben besinnend, den Carcosa Verlag ins Leben gerufen.
Und nach gut zwei Jahren Vorbereitungszeit (in denen ich, hauptberuflich sozusagen, sämtliche klassischen Elric-Romane von Michael Moorcock neu übersetzt habe) erscheinen in gut vier Wochen am 16. Oktober die ersten fünf Bücher unseres ersten Programms. Unsere Auswahl von Autor:innen verrät, so meine ich, eine klare Handschrift: Wir sind angetreten, anspruchsvolle, progressive Phantastik zu verlegen, ohne Wenn und Aber. Und hoffen, dafür ein Publikum zu finden, das ebenso unterhalten wie gefordert werden möchte.
Vielleicht noch ein Wort zum Verlagssitz: Wittenberge liegt im Landkreis Prignitz an der Elbe, etwa auf halber Strecke zwischen Hamburg und Berlin, ist praktischerweise mit einem Fernbahnhof ausgestattet (siebzig Minuten bis Hamburg, fünfzig bis Berlin) und bietet so viel Ruhe zum Arbeiten (und mehr), wie ich mir nur wünschen kann; von bezahlbaren Mieten und einer kleinen, feinen Kulturszene ganz zu schweigen. Dazu später mehr — bald sollte auch der erste Raum des neuen Verlagsbüros (im Ausschnitt rechts die Fenster von Lektorat, Lager und Besprechungszimmer) in einem vorzeigbaren Zustand sein (natürlich das Lager), dann poste ich weitere Bilder.
Jetzt gleich schnappe ich mir ein Buch (den zweiten Pyat-Roman von, schon wieder, Michael Moorcock) und setze mich damit ans Elbufer. Und schließe mit der Frage, die in abgewandelter Form am Ende jedes künftigen Blogbeitrags stehen wird: Haben Sie auch schon ausreichend Carcosa-Bücher vorbestellt?