Artikel aus der Science Fiction Encyclopedia
Deutsch von Hannes Riffel
Link zum Original: Leigh Brackett
(1915–1978): US-amerikanische Schriftstellerin und Drehbuchautorin, die während ihrer ganzen Karriere Fantasy und Science Fiction geschrieben hat, wofür sie heute vielleicht am besten bekannt ist, wenngleich ihre Kriminalromane und ihr sechzehn Film- und Fernsehdrehbücher verdientermaßen hochgelobt wurden. Zu ihren Arbeiten für den Film zählen Drehbücher zu The Vampire’s Ghost (1945) und The Long Goodbye (1973 [Der Tod kennt keine Wiederkehr]); und für Howard Hawks’ The Big Sleep (1946 [Tote schlafen fest]) und Rio Bravo (1959 [Rio Bravo]), zu dem sie nach ihrem eigenen Drehbuch den Roman Rio Bravo (1959 <Rio Bravo [München: Heyne, 1966], dt. von Walter Brumm>) verfasste. Hawks war von ihrem ersten Roman, dem Krimi No Good from a Corpse (1944), äußerst beeindruckt, und einer Anekdote zufolge beauftragte er seine Sekretärin, »diesen Burschen Brackett« aufzuspüren. (Hawks, in dessen Filmen häufig kompetente Frauen mit eher weniger kompetenten Männern klarkommen müssen, war keineswegs bestürzt, als sich Brackett als Frau entpuppte.) Bracketts letzte Arbeit für den Film, ein Drehbuchentwurf zu The Empire Strikes Back (1980 [Das Imperium schlägt zurück]), für den sie 1981 posthum einen Hugo Award erhielt, war nicht typisch für ihre Werke in diesem Genre, obwohl sie mit den aus dem Western abgeleiteten Elementen der Handlung durchaus vertraut war. Das ursprüngliche Drehbuch wurde unter dem Titel The Empire Strikes Back (1978; zusammen mit Larry Kasdan; erweiterte Ausgabe 1999 unter dem Titel The Empire Strikes Back: The Complete, Fully Illustrated Script) veröffentlicht. Keine ihrer Arbeiten fürs Fernsehen sind phantastischer Natur. 1946 heiratete sie Edmond Hamilton, der seit den 1920ern als Science-Fiction-Autor aktiv war; gut möglich, dass sie Einfluss auf sein Schreiben hatte, das sich Ende der 1940er merklich verbesserte.
Bracketts erste Erzählung, die für das Genre von Interesse ist, war »Martian Quest« (in: Astounding [Februar 1940]), und damit begann der Zeitraum, in dem sie in den Science-Fiction-Magazinen am aktivsten war; die meisten phantastischen Geschichten, die sie im Laufe ihres ersten Jahrzehnts als professionelle Schriftstellerin veröffentlichte, sind in Martian Quest: The Early Brackett (2003) und Lorelei of the Red Mist: Planetary Romances (2007) enthalten. Die Titelgeschichte des zweitgenannten Bandes »Lorelei of the Red Mist« (in Planet Stories [Sommer 1946] <»Die Venus-Hexe«, dt. von Birgit Reß-Bohusch, in: SF-Stories 18 [Berlin: Ullstein, 1972], hrsg. von Walter Spiegl>) wurde in Zusammenarbeit mit Ray Bradbury geschrieben, der später auch eine Einleitung dazu verfasst hat. Bracketts Erzählungen erschienen größtenteils in Planet Stories, Thrilling Wonder Stories und anderen Zeitschriften, die Raum für das boten, was rasch zu ihrer Spezialität wurde: literarisch anspruchsvolle Planetenabenteuer, die meist auf einem Mars spielten, der den wegweisenden Schöpfungen von Edgar Rice Burroughs nicht unähnlich war, einem romantisierten Schauplatz, der auf den Spekulationen von Percival Lowell und anderen beruhte, dort könnte es Kanäle geben und entsprechend auch – vermutlich uralte – Zivilisationen. Brackett verwendete in einem Großteil ihrer Werke diesen an Burroughs gemahnenden Mars, wobei es nur gelegentlich ein geographisches oder »historisches« Bindeglied zwischen ihren verschiedenen Schauplätzen gibt.
Ab Mitte der 1940er wandte sie sich immer mehr dem Schreiben längerer Erzählungen zu; zu den Kurzromanen, die keiner Serie zugehören und auf dem Mars spielen, zählen »Shadow Over Mars« (in Startling Stories [Herbst 1944]; 1951; später als Teil eines Ace-Double-Bandes 1961 unter dem Titel The Nemesis from Terra <Schatten über dem Mars, dt. von Lore Straßl [1977]> erschienen) und, vielleicht der beste von allen, »Sea-Kings of Mars« (in Thrilling Wonder Stories [Juni 1949]; gleichfalls als Teil eines Ace-Double-Bandes 1953 unter dem Titel The Sword of Rhiannon <Das Erbe der Marsgötter [Rastatt: Moewig, 1981], dt. von Lore Strassl> veröffentlicht). (Die Bände der Ace-Double-Reihe enthielten jeweils zwei Kurzromane Rücken an Rücken.) Gemeinsam mit dem thematisch lose damit verbundenen »The Sorcerer of Rhiannon« (in Astounding [Februar 1942]) gelesen, kombiniert dieser in dichter und ausdrucksstarker Sprache verfasste Roman auf bewundernswerte Weise einen Abenteuerstoff mit der zutiefst romantischen Vision einer vom Meer umfangenen marsianischen Zivilisation, die in einer erstaunlichen Mischung aus Frische und Nostalgie beschrieben wird (siehe Abgrund der Zeit). War für Burroughs’s Mars naive barbarische Energie kennzeichnend gewesen, verkörpert Brackett – ohne salbungsvoll zu klingen – den letzten Atemzug einer Dekadenz, die sich in einem fort nach einer noch länger zurückliegenden Vergangenheit sehnt. Einige weitere Erzählungen dieser Art liegen gesammelt in The Coming of the Terrans (1967) vor, wenngleich diese Geschichten weniger ausdrucksstark sind als jene Mars-Erzählungen, die den Kern ihrer Serie um Eric John Stark bilden: »Queen of the Martian Catacombs« (in Planet Stories [Sommer 1949] und »Black Amazon of Mars« (in Planet Stories [März 1951]; beide erweitert in einem Doppelband 1964 unter dem Titel The Secret of Sinharat bzw. People of the Talisman) – wobei die Geschichten, die dem Vernehmen nach von Edmond Hamilton für die Buchpublikation bearbeitet wurden, erhebliche Unterschiede zur Zeitschriftenfassung aufweisen – und später in gleicher Form zusammen veröffentlicht als Eric John Stark: Outlaw of Mars (1982), sowie »Echantress of Venus« (in Planet Stories [Herbst 1949]). Stark vereinigt in seiner sehnigen Gestalt alle Tugenden eines Helden der Sword & Sorcery, in etwa so wie Robert E. Howards Conan, wenngleich Stark – der als Waisenkind, einziger Überlebender einer irdischen Kolonie, von den Ureinwohnern des Merkur großgezogen wurde – erheblich komplexer ist als sein Vorgänger; Dutzende knurrender, unbezwingbarer Athleten in zahlreichen Serien späterer Autoren versuchen, Starks grüblerische Seelenstärke nachzuahmen. Die frühen Erzählungen um Erik John Stark <Schwelende Rebellion [Wittenberge: Carcosa, 2024], dt. von Helmut W. Pesch> liegen in dem Band Sea-Kings of Mars and Other Worldly Stories (2005) gesammelt vor, der darüber hinaus noch andere Texte enthält. In den 1970ern erweckte Brackett Stark zu neuem Leben, wobei diese Serie nun auf einen interstellaren Schauplatz verlegt wurde (da Mars und Venus für Planetenabenteuer keinen geeigneten Hintergrund mehr boten); die neue Trilogie umfasst The Ginger Star (1974 <Der sterbende Stern [Rastatt: Pabel, 1979], dt. von Jürgen Saupe>), The Hounds of Skaith (1974 <Dämon aus dem All [Rastatt: Pabel, 1980], dt. von Jürgen Saupe>) und The Reavers of Skaith (1976 <Planet im Aufbruch [Rastatt: Pabel, 1980], dt. von Jürgen Saupe>), gesammelt unter dem Titel The Book of Skaith (1976). Seinen letzten Auftritt hat Stark in der gemeinsam mit Edmond Hamilton verfassten Erzählung »Stark and the Star Kings« (in: Stark and the Star Kings [2008] <»Stark und die Sternenkönige«, dt. von Frauke Lengermann in: Pandora 2 [Berlin: Shayol, 2007], hrsg. von Hannes Riffel>), ursprünglich für The Last Dangerous Visions geschrieben – die einzige als solche gekennzeichnete Zusammenarbeit der beiden. Hamilton enthüllte in »An Interview with Leigh Brackett & Edmond Hamilton« (in Tangent 5 [Sommer 1976]), dass Brackett darüber hinaus ohne genannt zu werden drei Kapitel seines oft gelobten Romans The Valley of Creation (in Startling Stories [Juli 1948]; überarbeitet 1964 <Das Tal der Schöpfung [Rastatt:Moewig, 1966], dt. Birgit Bohusch>) geschrieben hatte.
In den 1950ern begann Brackett, sich auf interstellare Space Operas zu konzentrieren, darunter The Starmen of Llyrdis (in Startling Stories [März 1952]; 1952 unter dem Titel The Starmen; bei Ace Double 1955 gekürzt unter dem Titel The Galactic Breed; <Das Schiff von Orthis [Rastatt: Pabel, 1983], dt. von Lore Strassl>), The Big Jump (in Space Stories [Februar 1953]; bei Ace Double 1955 <Der große Sprung [Rastatt: Pabel, 1983], dt. von Lore Strassl>) und Alpha Centauri – or Die! (Teilvorabdruck in Planet Stories [September 1953] als »The Ark of Mars«; Gesamtausgabe bei Ace Double 1963 <Alpha Centauri sehen und sterben [Bergisch Gladbach: Bastei-Lübbe, 1978], dt. von Volker Diefenbach [1978]>). Alle drei Romane sind handwerklich zufriedenstellend, aber eher konventionell, vergleicht man sie mit Bracketts bestem reinen SF-Werk, The Long Tomorrow (1955 <Das lange Morgen [Wittenberge: Carcosa, 2023], dt. von Hannes Riffel>), das nach weitgehender Zerstörung der Erde in einer streng geregelten, technophoben Nordamerika spielt, viele Jahre nach dem Untergang der Städte und der Technologie, die die Menschen in den Ruin geführt hat. In dieser bedächtigen, beindruckend warmherzigen Geschichte wird ausführlich von zwei jungen Männern erzählt und von ihrer letztlich erfolgreichen Suche nach Bartorstown, wo im Geheimen wieder wissenschaftlich geforscht und gearbeitet wird. Der Roman stand, trotz anspruchsvoller Konkurrenz, auf der Shortlist für den Hugo Award; Brackett war die erste Romanautorin, der solche Anerkennung widerfuhr. Leser:innen des 21 Jahrhunderts mögen hinsichtlich der Bestrebungen von Bartorstown weniger hoffnungsvoll sein, aber für sich genommen ist der Roman ein Glanzstück.
Nach 1955 arbeitete Brackett vor allem für Film und Fernsehen; einige ihrer späteren Erzählungen sind ebenso souverän wie düster – wie zum Beispiel »All the Colors of a Rainbow« (in Venture Science Fiction [November 1957]), in dem eine außerirdische Frau, Teil eines Teams aus dem Galaktischen Zentrum, das auf der Erde mit Wetterbeinflussung experimentiert, von einem Einwohner der Südstaaten vergewaltigt wird, der sie als »Nigger« ansieht (siehe Race in SF). Brackett war eine hochprofessionelle Autorin, die mit äußerster Kompetenz innerhalb eines bestimmten Genrerahmens arbeitete und diesen manchmal bis an seine Grenzen auslotete. The Long Tomorrow und ihre Drehbücher für Howard Hawks zeigen, dass ihr Werk das Potenzial hatte, über diesen engen Horizont hinauszugehen; aber ihre Kurzgeschichten, die ihren Ruf begründet hatten, wurden mit der Zeit immer seltener. Der von ihrem Ehemann herausgegebene repräsentative Sammelband The Best of Leigh Brackett (1977 <Die besten Stories von Leigh Brackett [Rastatt: Moewig, 1981], dt. von Eva Malsch>) bekräftigt die muskulöse Eleganz ihres Werks und dessen eigenwillige Absage an eine Überschreitung dieser Grenzen; das gilt auch für den Sammelband Shannach – the Last: Farewell to Mars (2011), der sämtliche späteren Erzählungen enthält.
2014 wurde Leigh Brackett in die Science Fiction Hall of Fame aufgenommen.
© 2011–2023 by SFE Ltd.
Mit freundlicher Genehmigung von
John Clute & David Langford
© der Übersetzung 2023 by Hannes Riffel
Redaktion: Helmut W. Pesch